Freitag, 17. November 2017

Döner zum Abendessen















Ich gucke Australia. Mit Nicole Kidman. Und denke daran, wie ich das früher mit ihr geguckt hätte. Wie sie immer eingeschlafen ist, neben mir, in meinen Armen. Wäre sie bei Australia auch eingeschlafen. Weil es so langweilig war neben mir. Oder weil sie einfach nur müde war. Den ganzen Tag putzen ist hart…
Du wirst es nie erfahren…


Auf einmal regt sich was bei María im Zimmer. Sie kommt aus der Tür und sagt: „Mir ist schlecht!“


„Ich hab so viel gegessen. Den Rest musst du essen!“

Sie kommt mit der restlichen Schokolade aus ihrem Zimmer.

„Gib die mir…“

Kaum habe ich sie von ihr entgegengenommen, ist sie schon in meinem Mund, meinem großen, gierigen Schlund verschwunden. Wie der Fisch bei einer Robbe. Einer fetten Robbe.

„Kotz es nicht alles auf einmal aus!“, sage ich zu ihr.

Das ist nur ein halber Witz. Denn nachher macht sie das echt…wer weiß das schon…so besessen, wie sie von Essen ist. Von nicht-essen, von „Cheat-Days“, von Training und richtiger Ernährung…

…aber du hast gut reden. So besessen, wie du von billigem Fastfood bist…von Chips, Salami, Käse, Wraps und so weiter...

Wir haben alle eine Essstörung…

Am Ende schminkt sie sich nur ab. Macht noch nicht mal die Tür zum Bad zu.

„Das kannst du dir abschminken…“, sage ich, lache.

Mit den Wattepads, die du ihr extra mitgebracht hast, am Montag.

Heute, wo du schon (fast) den Glauben an alles verloren hattest, wo du so desillusioniert warst, wie noch nie zuvor, hat sie dich angerufen. Als du am Herd standest, um für sie zu kochen, hat sie angerufen und gefragt, ob du schon was kochst. „Koch nichts, ich hab was für dich…“

Und sie hat dir einen Döner mitgebracht. Vom Bertha. Und sie hat auch einen gegessen.
Ist denn schon Weihnachten??

Und das, wo du den Glauben schon verloren hattest, den Geist schon aufgegeben hattest…
Du liebst sie. Deine Frau ist weg, aber deine Tochter ist noch da. Sie ist kein Ersatz, aber sie hat dir geholfen, den Schmerz zu vergessen. Danke, María! Auf ihre eigene Weise. Mit viel passiver Aggressivität. Nicht wie die Tochter deines Kollegen, die ihn zum Dart geschickt hat, sondern anders, subtiler, aber doch…

„Wenn du nicht hier wärst, wäre ich entweder bekloppt oder weg…“, hast du heute gesagt.

„Ich mag zwar arm sein und fast auf dem Boden pennen, aber ich bin echt wieder auf dem 
Weg, ein guter Vater zu werden…

…nach der Katastrophe…

…das erste Mal nach der Katastrophe…

Sie sagt nichts. Muss sie auch nicht. Denn ich weiß, dass ich recht habe!

Sie setzt sich auf den Stuhl vor meinem Bett, macht ein Lied an. Eins dieser afrikanischen, Dancehall heißt das glaub ich. So kommuniziert sie mit mir, über die Musik.

„Kennst du das? Das ist eigentlich voll alt“, sagt sie.

Es ist schön, dass sie hier ist.

„Wir machen das wie früher, als wir im Bus in Spanien jeder ein Leben gespielt haben. Bei Super Mario. Jeder ein Lied! …kennst du das?!"

Ich gehe auf YouTube und mache „If I could turn back the hands of time“ von R. Kelly an. 

“Das ist von R. Kelly… Kennst du den?”

“Ja, ich glaube schon…”

Aber sie hat schon wieder die Lust verloren. Wenn du auch die alten, traurigen Lieder, die dich (und sie) nur wieder an sie erinnern (deine andere Sie), auflegst…selber schuld!

„Ich geh jetzt schlafen…“

Sie ist schon fast weg, da schiebst du noch ein Lied nach. Verzweifelt

„Kennst du das…? Warte doch mal…“

Du tippst „I’ll be missing you” ein. Von Puff Daddy. “Das hätte heute drei Milliarden Klicks…!“
Aber sie hat die Tür schon fast zugemacht, als du denkst: Luniz! Ja, das wär’s jetzt! Luniz!
Du wirst sie vermissen, morgen, wenn sie zu ihrer Mutter geht. Übers Wochenende.

„Ich werd dich vermissen, morgen…Freitag ist schlimm, normalerweise…obwohl: Morgen gehe ja arbeiten. Und am Samstag auch. Deswegen haben wir das ja auch so gemacht…“
Spontan fallen dir die beiden Serben-Mafiosi aus dem Film letztens ein. Einer nach dem anderen. Mit dem schwedischen Schneepflugfahrer, der nach dem Drogen-Tod seines Sohnes einen nach dem anderen der Verantwortlichen aus dem Weg räumt. Die sitzen in dem Film im Auto und der eine sagt, das Kind des norwegischen Dealers beobachtend, das eine Woche bei der Mutter und eine Woche beim Vater ist: „Die Leute hier teilen sich sogar ihre Kinder… Ihre Kinder! Ein beklopptes Volk!“

Recht hat er!