Dienstag, 19. Juli 2016

Gut angekommen II (Pavianarsch)










Meine Antwort auf die Mail meiner Tochter: Ok

Ich antworte direkt, so dass sie noch mal lesen kann, was sie geschrieben hat, so dass das an sie zurück geht. Dass sie noch mal drüber nachdenken kann. Aber warum sollte sie?! Soll sie doch ihr Leben genießen! Im Urlaub, in Griechenland.

Warum gönnst du ihr das eigentlich nicht?

Tu ich doch gar nicht.

Jetzt bist du das trotzige, bockige Kind und nicht sie. Erwachsensein ist auch nicht so einfach.

Such dir eine Freundin, Mann, und mach nicht so ein Theater! Lass deine Tochter in Ruhe! Die kann auch nichts dafür…





Aber er kann es einfach nicht lassen. Und während er abends alleine Kokowääh guckt und twittert, schreibt er sogar noch eine Mail. Mit noch kryptischerem Text: Mich hat ne Mücke am Arsch gestochen. Ich bin jetzt ein Pavian!

Boah, du hast echt keine Hobbys!


Ich weiß, ich bin echt kreativ






Sonntag, 17. Juli 2016

Titten, zum ersten Mal Titten









Ich weiß noch, wie ich sie heimlich mit nach Hause brachte. Keine Ahnung, wie lange ich da schon mit ihr zusammen war. Bestimmt nicht sehr lange. Ich hatte sie ja noch nicht mal meinen Eltern vorgestellt – als meine offizielle „Freundin“.

Keine Ahnung, was damals in mich gefahren war. Keine Ahnung. Stellen Sie sich mal vor, meine Eltern hätten mich erwischt. Meine Mutter, die sowieso alles merkte. Das Haus war ihr „Revier“ und sie wachte darüber wie ein kleiner, fieser, hessischer Kampfhund. Sie merkte eigentlich alles. Sie hatte ein Gespür für kleine Veränderungen. Kleine Veränderungen, die ihre Stellung als Hausherrin, als absolut  absolutistische Herrscherin, als Sonnenkönigin über diese 140 m² Wohnraum – wenn sie auch sonst nichts in ihrem Leben beherrschte – bedrohten. Komisch, dass sie das nicht gemerkt hat. Später, als wir zusammen baden gegangen waren, in der Badewanne meiner Eltern (eigentlich, wenn ich so drüber nachdenke, hatte ich ja einen Grund „bah“ zu sagen!), und Nadine danach versucht hat, diese zu putzen, hat meine Mutter das direkt gemerkt. Direkt. Ohne Umschweife. Die war keine fünf Minuten Zuhause und ich hatte keine fünf Minuten so getan, als ob nichts passiert wär, da sagte sie schon irgendwas, ob ich baden gewesen wär. Sie war da noch nie sehr subtil gewesen, wenn es um ihr kleines Reich ging. Heil Hitler! Dann wurde sie zur Furie. Und was sollte ich auch sagen?! Ne, das stimmt nicht. Bei der ihrem Riecher eines Bluthundes, eines Leichenhundes. Die hätte Maddie gefunden, wenn die bei uns in der Wohnung verschwunden wär.

Oder in Schottland, wo wir in diesem Hotel waren, wo ich davor, an Weihnachten, schon alleine mit Nadine gewesen war. Da hatten wir auch meine Eltern einquartiert, als sie mich kurz vor meinem Abschluss besuchten. Dieses kleine Familienhotel mit dem vielen Plüsch und den vielen alten Bildern du Ornamenten – wie man sich so ein typisches englisches (pardon: schottisches, meine ich natürlich) B & B halt so vorstellt. Traditionsbewusst, ein bisschen verstaubt, aber auch sehr heimelig. Mit Frühstück, das direkt von den Besitzern zubereitet wird. Das hatte sogar eine kleine Saune. Die ich aber nie mit Nadine ausprobiert hab.  Anders, ganz anders als das Bad auf der zweiten Etage. Oder war es die dritte? Keine Ahnung. Auf jeden Fall eine Etage über dem Zimmer meiner Eltern. Wir hatten María bei ihnen gelassen und waren alleine ein bisschen rausgegangen. Keine Ahnung, was wir genau gemacht hatten, aber als wir zurückkamen, ins Hotel, um María abzuholen, hatte ich plötzlich eine Idee. Im Eingangsbereich, gab ich Nadine einen langen, heißen, feuchten Kuss auf ihre vollen Lippen und wahrscheinlich packte ich sie auch fest an ihren Arsch und/oder zart oder vielleicht sogar ebenso fest an ihre Titten. Ihre Tittchen, wie wir sie immer genannt haben. Guckte ihr lange in ihre kleinen, heißen Tieräugelchen und sagte: „¡Vamos arriba! ¡Venga! Lass uns nach oben gehen! Komm schon!“

Sie sagte nichts, guckte mich nur vielsagend lasziv an, indem sie die Lippen leicht öffnete un den Kopf schüttelte. Vielleicht sagte sie ja auch „¡Loco!

Kam aber trotzdem mit. Das größte Problem war jetzt nicht etwa, es im Bad eines Hotels, in dem wir noch nicht mal abgestiegen waren, zu treiben (das war kein Problem, das ging immer irgendwie! Rein ging er immer, irgendwie!). Das größte Problem war vielmehr, wie wir am Zimmer meiner Eltern vorbeikamen, ohne, dass der Bluthund meiner Mutter etwas merkte. Meinem Vater wär das wahrscheinlich egal gewesen (dem war eh alles egal – oder zumindest dachte ich das) oder vielleicht wär er sogar insgeheim ein bisschen stolz auf mich gewesen – gezeigt hätte er das ums Verrecken nicht! Wir schlichen also durch den beplüschten Flur nach oben, vorbei an der Tür meiner Eltern, immer auf der Suche nach einem Ort, der für den ehelichen Beischlaf geeignet wäre. Denn ich glaube, da wussten wir noch gar nicht, dass da oben eine öffentliche Toilette war. Aber da war eine! Langsam und wie Einbrecher öffneten wir die Tür. Schlossen sie hinter uns. Sie zig sich die Hose aus, einen verstohlenen und gleichzeitig geilen Blick um sich werfend. Ich zog meine Hose runter und sie setzte sich auf mich und begann schnell zu pushen. Immer weiter. Einen Kamasutra-Schönheitspreis würden wir so nicht gewinnen, das wussten wir. Besonders befriedigend würde das Ganze auch nicht sein. Aber darum ging es gar nicht. Es ging um den Kick. Den schnellen Fick. An einem aufregenden Ort. Nicht so sehr darum, dass sie oder ich kommen. Obwohl, bevor ich nicht gekommen wäre, hätte ich nicht aufgehört, auch wenn es einen Feueralarm gegeben hätte.

Und kaum hatten wir an der Tür meiner Eltern geklopft und waren eingetreten, da fragte meine Mutter auch schon eine ihrer eindeutig eindeutigen Fragen: „Und, war’s schön oben? Habt ihr euch vergnügt oben?“ Direkter ging’s auch nicht, aber da die Frage (immer) so schnell und so überraschend kam, wusste ich nicht, was ich antworten sollte. Die beste Antwort wäre wahrscheinlich so was gewesen wie: Und, wann hast du das letzte Mal meinen Vater so richtig durchgenudelt? Oder: Und, bläst du meinem Vater auch einen oder magst du das nicht? Machst du das nicht? Oder: Und, wie sitzt mit Analverkehr bei euch aus? Aber das hättest du nie gefragt.

Aber wo waren wir? Ach ja, deine Eltern waren nicht da und du nahmst Nadine mit hoch in dein Zimmer. Keine Ahnung warum. Keine Ahnung, was passiert wäre, wenn deine Mutter oder dein Vater oder beide dich/euch erwischt hätten. Denn so viel ist sicher: Sobald sie nach Hause gekommen wären, hätte es keine Entkommen mehr für Nadine gegeben. Dann wär sie in der Falle gewesen. Aber daran dachtest du nicht, als du ihr (oder sie dir) die Treppe hinauf folgtest. Dir ihre Leggings oder ihre Lederhose (die sie damals noch hatte) von oben oder von unten angucktest. Du hattest damals noch nicht mal mit ihr geschlafen, warst noch eine Jungfrau. Ein Jungmann, was weiß ich. Das Schlimmste, was ein Junge mit 18 noch sein kann. Gingst mit ihr die schmale Hühnerleiter einer Treppe ins Obergeschoss hinauf. Durch den Vorraum, in dem der ganze Plunder deiner und der Kindheit deiner Schwester stand. Alles, was eigentlich niemand mehr brauchte, was aber auch zu schade zum wegwerfen war. Sagtest „Hier!“ und öffnetest ihr die alte Holztür zu deinem Zimmer, deinem kleinen Reich, Damals hattest du glaub ich sogar noch dein altes Kastenbett, mit dem Kopfteil mit den ganzen Aufklebern deiner Kindheit und Jugend. Felix Magath (wo er noch Fußball-Spieler bei Bayer Uerdingen war!) und die „Komm-näher-Sticker“, wo dann unten drunter stand: „Jetzt bist du zu nah…Verpiss dich!“. Irgendwie symptomatisch. Meine alten Schulhefte aus der Grundschulzeit (!), meine mehr oder weniger gelungen Modelle einer deutschen Tornado und einem amerikanischen „Warzenschwein“, meine Überraschungsei-Figürchen, meine Autochen, meine Gesellschaftsspiele, die keiner mit mir spielte. Oder meine Schwester vielleicht noch, bis sie zu alt dafür wurde. Meine Mickymaus-Heftchen. Alles in schöner beigefarbenen  (holzfarbenen?) Echtholzoptik gehalten. Eigentlich kein Zimmer, in dem man seine 5 Jahre ältere erste Freundin mitnimmt, aber das war mir egal. Ich hatte so lang auf diesen Moment gewartet, da war mir das allesherzlich egal. Ich dachte nur an das, was passieren würde. Um es kurz zu machen: Ich war geil.  Wie ich später (wo es schon zu spät war?) feststellte, hatte Nadine sehr wohl das allzu Kindliche meines Zimmers bemerkt und zog mich sogar manchmal damit auf (als unsere Beziehung schon sauer geworden war, als sie schon über ihr Verfallsdatum hinausgegangen war, oder vorher im Guten?). Auf jeden Fall hielt es sie nicht davon ab, sich auf mein „Jugend- oder gar Kinderbett“ zu legen und mich wie wild zu küssen. Ich war ebenso entfesselt – auf diesen Moment hatte ich ja schließlich gut und gerne drei Jahre gewartet. Als eiserne Jungfrau (ich war damals auch schon lange über mein Sex-Verfallsdatum hinaus) –, küsste sie wie wild und begann ihr unter ihren Pullover (es war noch Winter (ich glaub sogar noch Januar, denn ich hatte sie ja an Neujahr kennengelernt). Wir redeten darüber, was mir an ihr gefiel oder irgend so was und ich sagte aus Verlegenheit: „Deine Nase, ich mag deine Nase“, damals schon in passablem Spanisch (das ging ganz schnell bei mir mit dem Spanisch).

¡Me gusta tu nariz!“

Das stimmte tatsächlich, ich mochte ihre Indio-Nase, die ein bisschen so war wie die Nase einer Schwarzen, nur in braun. Aber ihre Nase war auch das Erste und das Einzige, was mir einfiel. Ich hätte ja schlecht „deine Titten“ oder „dein Arsch“ sagen können. Damals noch nicht. Noch lange nicht. Das war noch die Honeymoon-Phase. In der ich meine Hände aber schon unter ihrem alten, unschönen Pullover hatte und ihren BH beiseiteschob. Keine Ahnung, wo ich dieses Wissen hernahm, ich hatte das vorher noch nie gemacht. Aber ich glaube, das ist instinktiv in jedem Mann vorhanden und wartet nur darauf raus gelassen zu werden. In dem Moment, das muss ich gestehen, war ihre Nase das letzte, was ich im Sinn hatte. Ich wollte Fleisch sehen. Aber eins viel mir noch auf, auf dem unausweichlichen Weg unter ihren (weißen) Spitzen-BH: ihr kleines, süßes Bäuchlein, das nicht dick, aber auch nicht wie der Rest ihres Körpers, dünn war, sondern schön/schon ein bisschen hervorstand. Süß, dachte ich eine Nanosekunde lang und holte endlich Titten raus. Befreite ihre Brüste, um es ein feministinnenfreundlicher zu sagen. Aus ihrem Gefängnis aus nicht mehr ganz so weißer Spitze. Das war das erste Mal, dass ich außerhalb von Pornos Titten, äh Brüste gesehen hatte und die Realität gefiel mir. Machte mich geil. Immer geiler. Ich berührte sie, so als hätte ich das schon hundertmal gemacht, wo sie in meinen Händen wie ein Brustexperte und lutschte schließlich an ihren Nippeln, die für ihre nicht ganz so großen Brüsten eigentlich ziemlich lang, aber nicht zu lang waren. Genau richtig. Währenddessen stöhnte sie pflichtbewusst oder echt oder, weil sie genau wie ich den Kick verspürte, dass meine Eltern, die glaub ich beim Einkaufen waren, uns jederzeit erwischen konnten. Trotzdem ging ich noch tiefer und bekam glaub ich schon damals ein paar ihrer nicht ganz so sauber rasierten Schamhaare zwischen die Finger, die sich – wie die eines Meisterverführers natürlich nicht mit ihrem Busen zufrieden gaben, sondern in ihre Hose wanderten, erst unter ihre Hose und dann unter ihre Unterhose. In ihre Unterhose hinein

Aber so viel war sie dann doch nicht geneigt, mir schon jetzt zu geben. Oder hatte sie – die immer Coole, die immer Harte, die mit ihrem Schweigen Steine erweichen und Männer wie mich in den Fast-Wahnsinn treiben zu treiben vermag – doch so etwas wie Angst? Angst, dass meine Eltern sie mit heruntergelassener Hose aus dem Haus jagen würden? Das passiert doch normalerweise nur Jungs oder Männern. Ich hatte auch glaub ich gar keine Kondome (und damals war mir das noch wichtig!), zumindest nicht zur Hand, den damit hatte ich nicht gerechnet, dass sie mitkommen würde. Mit hoch, in mein Kinderzimmer. Mein Kleinjungenzimmer. Wer hätte schon damit rechnen können?! Also packten wir irgendwann, nach noch einem bisschen Lutschen und Lecken, ihre Brüste wieder fein säuberlich in ihr Gefängnis aus nicht mehr ganz weißer Spitze und schlichen die Hühnerleiter von Treppe wieder runter (wie Einbrecher) und entkamen sogar auf dem langen Hinterhof und in der Toreinfahrt dem Auto meines Vaters, nur um an der Haltestelle umso befreiter uns anzulächeln und weiter zu lecken, diesmal zwar weiter oben, aber immer noch wie zwei Kletten, die nicht voneinander lassen können…



Wie ich so über diesen Erinnerungen sitze und sie niederschreibe bin ich fast wieder glücklich…

…fühle ich mich fast wieder wie damals…

…vergesse ich fast…

…kann ich ihr fast vergeben…



…für die ganze Scheiße, all die gegenseitigen Kränkungen, all das Schweigen, all die Niedertracht, alles, was sie mir und was ich ihr angetan habe im Laufe der Trennung. Und ich frage mich: War das alles nur eine Illusion? Auch damals schon? War das nie echt? War da nichts Echtes dran, an unserer Ehe, unserer Beziehung.

Oder ist das so, wie meine Anwältin das sagt: „Sie werden ja auch gute Jahre gehabt haben…“

Hab ich? Hat er?

Oder sind die Liebe, die Vergebung und gar das Leben selbst etwa nur eine einzige, große Illusion, von der wir irgendwann aufwachen, um uns dann noch ein paar Jahre Richtung Tod zu schleppen? Ein perverses Tauschgeschäft, eine bizarre Symbiose, die uns am Ende allem beraubt, das wir haben, das wir einmal hatten










Carpe diem?












Nimm es einfach so, wie sie sagt und verschwende nicht weiter deine Zeit“, liest er in irgendeinem Forum, auf der Suche nach der korrekten Schreibweise von „so wie“. Schreibt man das mit oder ohne Komma? Davon hat er immer noch keine Ahnung, aber der Satz bleibt irgendwie hängen. Besonders der zweite Teil, der „verschwende-nicht-weiter-deine-Zeit-Teil“. Irgendwie kommt der dir bekannt vor, dieser Ausspruch. Dieses carpe diem, wie der Lateiner sagt. Und Robin Williams in dem Club der toten Dichter. Wo der denen in der Eingangshalle der Schule all die Bilder mit den früheren Schülern zeigt. Die, wie er betont, „jetzt alle tot sind“. Das soll dann angeblich den Schülern eine Warnung sein, dass sie ihr Leben für etwas Sinnvolles nutzen sollen und eben nicht ihre Zeit verschwenden sollen, weil sie ja nur einmal leben. Man lebt nur einmal, sagt ja auch das Fast-Sprichwort, das man als Ausrede benutzt, um allerlei Scheiß anzustellen. Also muss man seine Zeit „sinnvoll“ nutzen. Und da fangen schon die Probleme an. Denn früher hat er das auch versucht. Wo er noch jünger war, so etwa von 23 bis 31. Da dachte er noch in diesen Begriffen. Davor noch nicht und danach nicht mehr. Da hat er auch versucht, das Maximum aus dem Leben zu quetschen. Dem bisschen Leben, das er hatte. Und ist kläglich gescheitert. Denn die Jahre vergingen und obwohl er verzweifelt versucht hat, den „Tag zu nutzen“, das Beste aus seinem Leben zu machen, sind die Jahre nur so an ihm vorbeigerauscht. Ohne, dass er von ihnen beziehungsweise das Leben von ihm große Kenntnis genommen hat. Wie konnte das passieren? Dabei wollte er doch immer alles aus dem Leben rausholen. War das etwa schon alles? Oder liegt es an Bonn? An seiner Umgebung? An Nadine, die schon diese komischen Feste auf dem Bonner Marktplatz als fiesta sah, während er sich zu Tode langweilte? All die Jahre.

Oder ist es genau das Gegenteil: Liegt es etwa genau an diesem Wunsch, das Leben in vollen Zügen zu genießen, dass es an einem vorbeirauscht? Kann man den Tag überhaupt richtig nutzen? Seine Zeit nicht verschwenden? Seine Zeit nicht nicht verschwenden? Oder ist die Zeitverschwendung vielleicht das einzige carpe diem, das in diesem Leben, in dieser Gesellschaft würde Freud jetzt sagen, möglich ist? Oder verliert man genau den Funken, wenn man versucht, seine Zeit „sinnvoll“ zu nutzen? Verliert man dann genau die Spontanität, die man braucht, um seine Zeit voll auszuschöpfen?

Aber das Problem liegt glaub ich ganz woanders. Denn sobald man sich mit den Jungs in der Welton Academy im Club der toten Dichter darüber bewusst wird, dass man nur ein Leben hat, dass die Zeit eines jeden auf Erden begrenzt ist, hat man da, genau ab diesem Moment, nicht etwa schon verloren? In anderen Worten: Ist es vielleicht sogar besser, seine Zeit zu verschwenden, indem man nicht daran denkt, dass man sterben wird, dass man in 10, 20, 50 Jahren nicht mehr da sein wird als den Tod immer vor Augen zu haben? Hilft es einem wirklich zu wissen, dass Zeitkurve immer gen null tendiert? Oder ist es genau das, was einen daran hindert, sein volles Potential zu entfalten. Denn: Wenn man genau weiß, dass man eh sterben wird, in 10, 20 oder vielleicht erst 60 Jahren, was bringt es einem dann sich abzurackern, etwas zu erschaffen, dass sowieso vom Wind weggeweht werden wird, wenn nicht in hundert Jahren, dann doch irgendwann.

Das hat er sich schon immer gefragt: Ob dieser Stress, den man sich macht, wenn man permanent daran denkt, dass man irgendwann tot sein wird dem eigenen Wachstum überhaupt zuträglich ist? Denn alles vergeht und selbst wenn nicht, selbst wenn mein Werk in tausend Jahren noch da ist…

…ich bin schon in spätestens sechzig Jahren nicht mehr da.

Also: Was hab ich dann davon?! Steve Jobs, Darwin, Dickens, Shakespeare, Cäsar, Queen Elizabeth, sie alle haben persönlich nichts mehr davon, dass sie irgendwann mal Großes erschaffen haben. Denn sie selbst sind zu Staub geworden. Zu Asche. Zu Nichts. Sehen ihr Werk nicht mehr, spüren es nicht mehr, keiner dankt es ihnen persönlich, es sei denn man geht davon aus, dass sie aus dem Himmel auf ihre Errungenschaften heruntergucken…

…und selbst das wird irgendwann langweilig.


Der einzige Grund, der ihm einfällt, seine Zeit nicht zu verschwenden, die wenigen Jahre „sinnvoll“ zu verbringen, ist, dass wenn man es nicht tut, dass Leben irgendwann auf einen zu kommt und einen so dermaßen in den Arsch fickt, dass einem Hören und Sehen vergeht. Gorbatschow hat das mal so ausgedrückt: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben… Aber passiert das nicht irgendwie auch denen, die pünktlich kommen. Denn andererseits bestraft es einen auch, wenn man sich den Arsch aufreißt, um etwas „Sinnvolles“ mit seiner Zeit anzufangen, wenn man wie Steve Jobs „Großes“ erschafft, jeden Tag aussaugt, bis zur letzten Sekunde und dann irgendwann an Krebs stirbt. Den Tod hat das kein bisschen gekratzt, dass er da Steve Jobs vor sich hatte und das dieser Mann den Tag optimal „genutzt“ hat.

Also ist es am Ende doch eh egal, was man macht, denn man macht es immer falsch, egal wie man‘s macht.

In diesem Sinne: Sie können gar nichts falsch machen. Oder anders gesagt: Machen Sie’s falsch! Vielleicht machen Sie es ja dann richtig. Bevor Sie sterben









Gut angekommen I








Abends, auf der Arbeit, öffnet er sein Google-Konto. Um zu gucken, ob seine Tochter ihm geschrieben hat. Keine Ahnung warum. Er hat nichts von einem Flugzeugabsturz gehört, also wird sie wohl gut angekommen sein. Keine Ahnung, warum er sich das antut. Er ist halt im Grunde seines Herzens ein Masochist. Manchmal auch ein Sado-Masochist, aber meistens eben nur Masochist. Was erwartet er eigentlich? Er ist natürlich nicht mitgefahren, nach Griechenland, weil er ja mittlerweile…lassen Sie mich nicht lügen…gute 16 Monate getrennt ist und heute endlich den Scheiß-Versorgungsausgleich in Angriff genommen hat. Also, was erwartet er. Details. Kann er haben:

Hallo
Ich bin gut angekommen hier. Hier ist es voll schön und sehr warm haha melde mich später nochmal.

Sie sagt ja nicht viel, aber das, was sie sagt, erfüllt seine Erwartungen voll und ganz. Ich meine, was hatte er auch erwartet?! Dass sie schreibt es ist hier voll Scheiße ohne dich und Trennungen/Scheidungen zerstören die Gesellschaft? Dann würde er sich erst recht Sorgen machen. so weiß er wenigstens, dass sie gut angekommen ist. Das ist doch schon mal was… Das wollte er ja auch nur wissen. Mehr nicht. Bitte keine Details. Aber gerade wenn man keine Details erwartet, kriegt man sie. Auf dem Butterbrot serviert. Immer mitten in die Fresse rein. Ich weiß auch, dass es da warm ist…, denkt er. Das ist ja kein Wunder, das ist ja auch Griechenland. Aber lustig finde ich das deswegen trotzdem noch lange nicht. Das Lachen ist ihm ohnehin schon lange im Hals steckengeblieben. Sein Vater würde jetzt mit der ihm eigenen Nonchalance sagen: „Ist doch schön! Soll sie doch einen schönen Urlaub haben…“ Genau: sein Vater! Soll er doch noch ein schönes Leben haben. Ist doch schön!

Er hat schon jetzt entscheiden, dass er nicht zurückschreiben wird. Kein Wort. Dann ist das eben passiv-aggressiv. Und auch keine Lösung. Aber was soll ich auch ernsthaft darauf antworten?! Toll, das freut mich, dass du gut angekommen bist und dass es so schön warm ist und überhaupt so schön…ist das Leben nicht wunderbar?! Ich glaube nicht, dass sie das jetzt braucht. Im Grunde genommen tut er ja genau das, was sein Vater sagt. Er lässt sie in Ruhe. Die Kinder trifft so eine Scheidung ja auch am härtesten. Die kommen direkt nach den von heute auf morgen verlassenen Vätern und Ehemännern. Aber die sind ja schließlich schon erwachsen. Bin ich das? denkt er. Irgendwie schon. Auf meinem Perso.

Toll, dass es dir so gut gefällt, im Urlaub. Das freut mich für dich. Dann fühle ich mich gleich…noch ein bisschen beschissener. Aber hätte nicht eine kurze Notiz gereicht. Meine Anwältin schreibt mir ja auch nicht direkt einen ganzen Roman, oder?!

Andererseits: Was regt er sich überhaupt auf?! Was regt er sich wieder mal künstlich auf. Er regt sich überhaupt viel zu viel auf. Immerhin sieht er sie ja bald wieder. An genau vier Tagen in der Woche. Ups, 3 ½ meine ich natürlich, wir wollen ja nicht, dass das zu einem unechten Wechselmodell wird.



Tage später denkt er immer noch über ihre Mail nach, die er immer noch nicht beantwortet hat.

…aber das „haha“ stört dich. Das stört dich. Echt.

Wäre es nicht genug gewesen, einfach nur zu schreiben, dass sie gut angekommen ist?! Denkt sie einfach nicht darüber nach, was ihre Worte in dir auslösen oder hat sie das extra eingefügt. Um dich zu ärgern, dich zu quälen. Das kommt schließlich in den besten Familien vor. Hat sie das etwa unbewusst-bewusst geschrieben? Oder ist das etwa sogar der Ausdruck eines tiefer liegenden Grolls dir gegenüber. Haha, ich zeig’s dir! Ich bin im Urlaub mit der Mama und du nicht! Du schmorst weiter depressiv in Bonn im eigenen Saft, während hier alles doch so „schön“ ist. Wie er dieses Wort hasst, „schön“. Genau wie dieser Typ aus The Beach das Wort „nice“ verabscheut. So hasst er „schön“ (das ist auch im Endeffekt ungefähr das Gleiche, „nice“ und „schön“, wenn man so drüber nachdenkt).

That’s nice!“ sagt er ironisch, in seinem fetten, schottischen Akzent, einen Abend, bevor er sich umbringt, in diesem Billig-Hotel in Thailand.

Haha, hörst du Tyler Durden dreckig lachen, im Keller des Gebäudes, das er in Kürze in die Luft sprengen wird. Es ist „schön“ hier, hahaha.

Oder zeigt sich in diesem „haha“ noch etwas ganz anderes?! Sowas wie: Siehst du Papa, ich kann auch ohne dich einen glücklichen Urlaub verbringen. Obwohl ich es nicht wirklich bin, glücklich nämlich. Sonst müsste ich dir ja schließlich nicht auf die Nase binden, ach wie toll es hier doch ist, in Griechenland. Sonst müsste sie dir ja nicht auf Teufel komm raus beweisen, dass es auch ohne dich das Gleiche ist, im Urlaub, weil es das ganz sicher nicht ist. Ist nicht gerade dieser Groll, diese offen zur Schau getragene Trotzigkeit ein Ausdruck ihrer Unfähigkeit mit der Situation umzugehen?! Klarzukommen. Einer Situation, die sie ganz sicher immer noch überfordert. Zu viel für sie, viel zu viel auf einmal. Sollte ich am Ende sogar Mitleid mit ihr haben, sie gar verstehen. Unbedingt! Sie ist ja auch erst 17. Noch nicht mal erwachsen. Das ist ja einer der Gründe, warum du das Wechselmodell willst. Weil sie auch deine Tochter ist und du das Beste für sie willst, ihr helfen willst, dass sei trotz allem ein gutes Abitur macht, glücklich wird


Vielleicht ist sie aber auch einfach noch jung, zu jung. Du warst doch auch mal jung, oder etwa nicht?! Jung und schön, haha. Da hast du auch nicht so über jedes Wort nachgedacht, was du sagst (denn geschrieben hast du ja damals noch nicht). Jedes Wort auf die Goldwaage gelegt – wie deine Mutter sagen würde. Nicht so wie heute. Da hast du bestimmt auch Leute verletzt, bist Leuten auf die Füße getreten, mit deinen Worten. Ohne es zu merken. Ohne darüber nachzudenken. Bestimmt auch Erwachsene. Und Leute haben dich verletzt, mit ihren Worten, haben dir wehgetan. Ohne darüber nachzudenken. Ist ja schon schön, dass sie dir überhaupt schreibt. Darüber solltest du froh sein. Du musst das nehmen, was du kriegst. Nach der Trennung und vor der Scheidung. Und das ist mehr als die meisten getrennten Väter kriegen. Genau halb halb. Sie von der Hüfte abwärts, ich aufwärts. Das ist sogar „fair“, obwohl du es natürlich nicht so empfindest (aber wer interessiert sich schon für deine Empfindungen, wer hat sich jemals für deine Empfindungen interessiert?!). Denn wie die meisten Männer willst du mehr…

Aber wahrscheinlich stimmt das auch nicht. Denn dich hätte das in dem Alter auch wenig interessiert, im Endeffekt. Da hattest du andere (zum Beispiel, wie und wann du endlich eine Freundin findest). Du hättest am Ende auch einfach deinen Urlaub genossen und fertig. Oder hättest du…? Immerhin sind ja deine Eltern nie getrennt gewesen.

Aber ist sie wirklich wie du damals? So ein bisschen schon…

Und überhaupt: Wie in alles interpretierst du da viel zu viel rein, denkst viel zu viel darüber nach. Wie über alles in deinem Leben. Wär ja schlimm, wenn sie so wär wie du…eine Grumpy Cat 24/7das wär dir dann auch wieder nicht recht. Oder?! Du willst eine Unmöglichkeit. Eine 17-Jährige, die dich versteht (und das, wo du das doch selbst nicht mal tust), sich aber gleichzeitig ihre jugendliche Vitalität, ihren Lebensmut, ihre joie de vivre bewahrt. Die eierlegende Wollmilchsau. Das kann sie ja gar nicht erfüllen! Selbst wenn sie wollte…