Freitag, 17. Februar 2017

Roma 2012 (Teil II)





Just a perfect day
Drink Sangria in the park
And then later
When it gets dark, we go home

Just a perfect day
Feed animals in the zoo
Then later
A movie, too, and then home

(Lou Reed - Perfect Day)






Aber obwohl ich mich daran erinnere, dass ich in diesem Jahr, und vielleicht sogar in diesem Urlaub, angefangen habe, ernsthaft Rammstein zu hören, so war doch das Lied dieses Sommers nicht etwa Mein Teil, Dalai Lama, Los oder Keine Lust – obwohl du diese Lieder und besonders Los oder Keine Lust auch richtig geil fandest, während María mehr auf Amerika stand (bis heute kann sie sogar Du hast mitsingen, keine Ahnung warum…).

Rammstein war zwar cool unter der Sonne Italiens und im Supermarkt beim Pizza-Kaufen, aber das Lied dieses Sommers war eindeutig Tranquilize von den Killers. Das heißt, nicht nur von den Killers, sondern von dem Killers im Duett mit Lou Reed, von dem ich ebenfalls sein komplettes Best-of-Album auf meinem Mp3-Player hatte. Ein paar Jahre beziehungsweise bestimmt schon mehr als ein Jahrzehnt nach Trainspotting wollte ich in diesem Jahr wissen, ob alle Lieder von Lou Reed so geil sind wie Perfect Day, was, wie ich Nadine immer wieder versicherte, eins der vier Lieder war, die ich auf meiner Beerdigung hören wollte. Ok, vielleicht nicht mehr selber hören, sondern gespielt haben wollte.

„Dafür bist du dann zuständig. Zuerst will ich Everybody hurts von R.E.M. hören, dann November Rain von Guns N‘ Roses, dann Nightswimming (ebenfalls R.E.M.) und am Ende Perfect Day. Von Lou Reed, hörst du...?“ Nicht, dass sie Lou Reed oder irgendeine der anderen Gruppen kannte oder meine Begeisterung für Perfect Day jemals teilte, das ich manchmal sogar laut sang.

Aber Tranquilize hörte ich überall. Morgens auf dem Weg zum Strand in der U-Bahn, nachmittags auf dem Rückweg und abends im Dunkeln die lauen Straßen Roms entlang schlendernd. Immer und immer wieder. Manchmal sogar zweimal hintereinander. Keine Ahnung warum. Irgendwas gab mir dieses Lied. Das hatte irgendwas mit meinem Leben zu dem Zeitpunkt zu tun. Mit meiner Rolle als Vater und Ehemann, nicht nur hier in Rom, sondern auch in Deutschland. Das hatte so etwas Abgeklärtes, wie Lou Reed (und das ist hundertprozentig Lou Reed) die letzten Zeilen des Liedes singt):

'Cause I don't care where you been
And I don't care what you seen
We're the ones who still believe
And we're looking for a page
In that lifeless book of hope
Where a dream might help you cope
Where the Bushes and the bombs
Uh huh, tranquilize

Ich hatte diesen Traum auch noch, den Lou Reed da besingt, trotz meiner Erfahrung hatte ich diesen Traum noch. Aber es war ein vager Traum, ein Traum, der mehr ein Gefühl war als ein Ziel. Und natürlich dachte ich immer noch vage an damals, an Aberdeen, an Concha, Conchita, wünschte mir…keine Ahnung was…

Diesen Traum von…

…mehr Leben, mehr Liebe, mehr Geld, Mehrwert…keine Ahnung…

…oder überhaupt von leben. Leben können. Sein können…

…und dieses Lied und besonders seine letzten Zeilen drückten sowohl meine Hoffnungslosigkeit aus, diese Dinge jemals erreichen zu können (in diesem Leben, auf dieser Welt), geschweige denn festhalten zu können. Gleichzeitig drückte das Lied aber auch meine Sehnsucht aus, dass irgendwo, irgendwie, irgendwann ein anderes, möglicherweise besseres Leben möglich wäre…
Das war wie bei Perfect Day. Diese eigentümliche Mischung aus Depression und Sehnsucht, Traum und Wirklichkeit, die Lou Reed, zumindest in diesen beiden Liedern perfekt zum Ausdruck brachte

…und von der ich heute weiß, dass es sie nicht gibt. Depressionen sind nicht sexy und Angst hilft uns nicht, unsere Träume zu verwirklichen

Aber damals hatte ich den Glauben noch nicht verloren

Weil mir Nadine noch Hoffnung gab? Und María?

Aber egal: Ich wollte mehr als ich mit ihr und María hatte. Mehr. Ich wollte mehr. Ich war mit dem bisschen Hoffnung, das sie mir gab, dass sie mir gaben, nicht zufrieden. (Ich weiß, das hört sich scheiße an und ist es vielleicht auch, aber die Wahrheit ist halt oftmals nichts anderes als das: nämlich Scheiße).

Wir sind nie zufrieden mit dem, was wir haben. Und zufrieden war ich in diesem Jahr ganz sicher nicht. Das heißt, zufrieden war ich vielleicht, aber eben nicht glücklich (aber was ist schon Glück?). Zufrieden war ich, doch: Denn ich war nicht in Deutschland, was mich noch unglücklicher machte als ein Urlaub mit Nadine, in dem ich nicht leben konnte, nicht leben durfte, nicht zu leben wusste? Stattdessen Lou Reed hörte. Diese alten Drogenlieder, keine Ahnung aus welchem Jahr, ich glaube sogar fast noch aus den 70ern. Vielleicht sogar noch aus dem Ende der 60er. Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist, dass ich sogar das ganze Album hörte. Ein paar Mal. Nicht oft, denn das war dann doch zu…düster…exotisch…anders…unmodern als ich es von dem Sänger von Perfect Day (dem Schlusslied meiner Beerdigung – wer das dann da auflegt, jetzt, wo Nadine weg ist, ist eine andere Frage) erwartet hatte. Keine Ahnung warum. Ich mochte Drogen-Lieder, ich mochte Trainspotting, aber Lou Reed war schon…anders. Eine andere Generation als Irvine Welsh. Oder Welsh war jung geblieben, keine Ahnung. Auf jeden Fall hörte ich das, wie wir im Zoo waren. Im Zoo von Rom. Im Zoo der ewigen Stadt. Weil wir irgendwie nicht mehr wussten, was wir sonst noch machen sollten (nach Neapel wollte ich nicht und sie wollte nicht mehr an den Strand). Zusammen. Und doch nicht zusammen. Und weil wir was für María machen wollten. Etwas, das auch ihr gefiel. Und Tiere sind immer süß, für Kinder. Obwohl mir Zootiere noch nie gefallen haben: Wie sie in ihren Käfigen dahinvegetieren. Niemals den Duft der Freiheit riechen werden. Der freien Wildnis. Der freien Wildbahn. Mir hatten die immer leidgetan, diese Tiere. Ich hatte mir immer leidgetan. So eingesperrt wie die waren. So eingesperrt wie ich war. Mein inneres Tier. Ohne eine Chance jemals auszubrechen.

Aber komischerweise war das eigentlich ganz schön, an diesem Tag. Nicht nur für María. Auch für mich. Für uns. Für uns? Wir sahen sogar zwei Fütterungen. Erst die der Eisbären. Oder Braunbären? Die waren hinter einer dicken Glasscheibe und wurden mit Fischen gefüttert. Das war geil. Und dann am Ende noch die Fütterung der Robben. Ich mochte die Italiener. Die waren cool. So locker. So relaxed. Wie die alle „ecco!“ zu ihren Kindern sagten, als die Seerobben gefüttert wurden. Das erinnerte mich irgendwie…

…an meinen Schwager aus Ecuador (ja, ihren heimlichen Liebhaber) und sein dauerndes ¡héle! Der hätte sich da bestimmt wohlgefühlt, an der Seite von Nadine.

¡Héle! Meiner ist sogar größer als der der Robbe. Ach, was sage ich, ¡héle!, der des Elefanten…der Giraffe. Ich habe einen längeren als das Giraffenmännchen. Der Giraffenbulle. 






Und Nadine wär bestimmt auch froh über ein bisschen familiäre Unterstützung gewesen…

…sie hatte ja nur mich und María.

Egal: Später – und da hörte ich schon Lou Reed, das Drogenalbum, dieses Lied, wo die Kinder schreien, weil sie von ihrer heroinsüchtigen Mutter vernachlässigt werden –, später gingen wir noch in den Streichelzoo. Wo die Schweine alle faul in der Sonne lagen, die Armen. Auch mit den armen Schweinen hatte ich Mitleid

(schließlich war ich ja auch eins von ihnen, auch ein armes Schwein…nur wusste ich das damals noch nicht so klar wie heute)

Aber María gefiel der Zoobesuch. Wir kauften ihr sogar noch ein Plastiktierchen in dem Zoo-Shop. (Keine Ahnung, wo das heute ist. Ob sie das noch hat?)

Und abends bekam sogar ich Auslauf. Verschaffte mir ein bisschen Auslauf. Ich glaube zumindest, das war schon in diesem Urlaub, wo ich begann sie nachts zu verlassen. Sie im Hotelzimmer im warmen Bett zurückzulassen (bei der Rumänin!). Mich aus dem Zimmer zu schleichen wie ein Dieb, wie ein umgekehrter Einbrecher, ein Ausbrecher, der aus dem Gefängnis seiner Ehe, seiner Vaterschaft ausbricht, um in den dunklen Straßen Roms das Abenteuer zu suchen. Ganz leise. So, dass sie bloß nicht aufwacht. Und fragt: Was machst du da?

Ich brauche nur ein bisschen Luft. Es ist so heiß hier. So stickig. So eng. Ich komme gleich wieder. Aber du musst nicht warten…

Weit kam ich eh nicht, soviel kann ich schon mal vorwegnehmen. Denn schon als ich dir Tür mit meinen zwei Frauen, meinen zwei chicas hinter mir verschlossen hatte, bekam ich einen Anfall schlechten Gewissens, das mich fast daran hinderte, die Treppe zur Straße hinunterzugehen. Aber am Ende war – keine Ahnung was das für Kräfte waren, die sich da in meinem Inneren entfalteten – stärker und ich trat aus der Tür des Hauses, in dem sich die Pension befand. Eigentlich war es ja egal, was ich machte, ich war ja eh gefangen. Das bin ich heute übrigens immer noch, trotz vermeintlicher Freiheit. Obwohl María dieses Woche gesagt hat: „Was macht das schon aus, ob sie einen anderen hat?!“ Und deine Welt noch ein bisschen näher an den Abgrund gebracht hat…

…in den wir eh irgendwann alle blicken müssen


 To be continued...when the time is right...











Traumdeutung: Zwischen Traum und Realität













Ich, das heißt, das, was von mir noch übrig ist, befinde mich auf einer Feier. Keine Ahnung, was das für eine Feier ist, aber auf jeden Fall sind da ganz viele große, lange Tische in einem Saal. Eine Familienfeier. Für die ganze Familie. Und tatsächlich: Nadine ist auch da. In der Küche. Wo sie das Essen vorbereitet. Das Essen für die wilde Meute da draußen. Und du gehst immer wieder hin und her. Zwischen deinem Tisch, wo du an der Ecke sitzt (keine Ahnung neben oder mit wem) und der Küche, wo Nadine ist und wo du dir immer wieder Alkohol nachholst. Wie früher, als du noch getrunken hast. Als du noch gesoffen hast wie ein Loch. Als gäbe es kein Morgen mehr. 
  

Sonntag, 12. Februar 2017

Alltag im All








Though I'm past one hundred thousand miles
I'm feeling very still
And I think my spaceship knows which way to go
Tell my wife I love her very much she knows

Ground Control to Major Tom
Your circuit's dead, there's something wrong (Space Oddity – David Bowie)









Ich werfe zu viel Klopapier in die Toilette und sie spült wieder nicht ab, obwohl das Wasser schon bis zum Rand steht und ich nicht mehr Wasser nachlaufen lassen kann. Dann gehe ich ins Wohn-/Schlafzimmer, suche das Buch, das ich zurückgeben muss, finde es aber nicht. Stattdessen fällt mir ein anderes Buch runter. Ich kann es nicht mehr fangen, es gleitet mir einfach aus der Hand. Ach, lass es fallen, scheiß drauf, lass alles fallen. Vielleicht willst du ja sogar, dass es fällt. Vielleicht soll es ja fallen. Also scheiß drauf! Ein paar Minuten später liege ich im Bett und das Handy macht diesen Ton, den es immer macht, wenn der Akku leer ist. Geil. Der Akku des Computers ist auch leer, aber das Kabel steckt zum Glück noch in der Steckdose. Mein Akku ist auch leer, aber es gibt kein Kabel, keine Reißleine, die ich ziehen kann und mit Hilfe derer ich mich fallen lassen kann. Mich einfach fallen lassen kann. Wie der Typ in Fight Club. Einfach loslassen kann, von diesem deutschen Alltag, der mich jeden Tag aufs Neue fickt. Von vorne und von hinten. In den Arsch und…keine Ahnung wohin. Langsam werde ich nervös. Denn das Buch muss morgen zurück. Scheiße. Also starte ich einen zweiten Suchversuch. Während das Handy noch mal klingelt. Ich weiß, dass du leer bist. Ich auch. Ein Leerkörper. Das haben wir früher immer zu unseren Lehrern gesagt. Damals konnte ich noch nicht ahnen, dass und wie sehr das eines Tages auch auf mich zutreffen würde. Ich blicke nach rechts, zum Fernsehtisch neben dem Bett. Geil! Ein Buch habe ich gefunden. Aber dieses Buch war auch nicht das Problem. Sondern das andere. Da liegt es: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Nein, nicht von mir, sondern von Milan Kundera. Habe ich nie zu Ende gelesen. Weil ich genau weiß, was am Ende passiert. Das hat Milan Kundera nämlich schon ungefähr zur Hälfte des Buches vorweggenommen. Das  Ehepaar stirbt. Beide sterben. Wir müssen alle sterben. Will er wahrscheinlich damit sagen. Keine Ahnung. Egal wie viel wir betrügen und lügen, wir werden alle sterben. Was für eine Message! was für eine Moral! Die Moral von der Geschicht ist…wir müssen alle sterben. Alle fallen. Alle loslassen. Das Handy klingelt wieder. Wie ein Baby, das seine Flasche will. Ich nehme das Buch, finde dieses Bookmark, dieses Lesezeichen, das ich damals gefunden habe. In irgendeinem anderen Buch. Auf der Vorderseite ist eine rote Kerze abgebildet, deren Flamme vor dunklem Hintergrund hell brennt und unter der steht:
Jesus Christus
Licht der Welt. Licht für
jede Dunkelheit.
Licht auch
für dich.

Ohne Ausrufezeichen. Nur mit Punkt. Als ob es so wär. Einfach so wär. Und als wär das nicht schon genug (Licht) steht auf der Rückseitein schwarzen Lettern auf weißem Hintergrund:

Ich bin
das Licht der Welt.
Wer mir vertraut,
wird nicht mehr
in der Finsternis
bleiben, sondern
wird das Licht
des Lebens haben.
Jesus Christus

Wird nicht mehr fallen, nichts mehr fallen lassen. Oder wird gerade fallen, wird fallen lassen können, loslassen können, endlich loslassen. Die Welt ist so voller Zeichen, voller Botschaften, voller Messages, man muss sie nur erkennen. Erkennen können. Deuten. Deuten können. Man muss nur glauben. An sie…

…seine Ex-Frau…

…vertrauen können…

…dass wir zwar sterben werden, aber trotzdem wieder zueinander finden können…in diesem Leben

oder im nächsten

„…willst du ein Revival?“

„Ich weiß nicht…“

Meine Lieblingsphrase um zu sagen: „Ja.“ „Ja, ich glaube schon.“ „Ja, ich glaube.“ Einfach so. So einfach.
Jetzt muss ich nur noch das andere Buch finden…geil
Du stehst mitten im Raum, lässt das Chaos deines Lebens auf dich wirken und kratzt dich am Penis. An dieser Stelle unterhalb der Eichel. Zwischen Eichel und Schaft, an der du dich so gerne kratzt. Das ist so mit die empfindsamste Stelle des gesamten Penis. Wenn man da kratzt, dann  macht das richtig Spaß, manchmal. Ist belebend. Wirkt belebend. Manchmal kannst du da kratzen, bis es blutet, an diesen Häutchen unter der Vorhaut. Ziehen, kratzen und kneten. Bis du nichts mehr fühlst. An dieser empfindsamsten Stelle des männlichen Körpers.

Plötzlich geht der Fernseher aus. Das macht er immer, wenn er zu lange ohne Unterbrechung läuft. Das heißt, er läuft jetzt schon 4,5 Stunden ununterbrochen. Der Moderator des Morgenmagazins kann gerade noch sagen: „Wir sprechen gleich über Übergewicht, über Dicke“…und schon ist er aus. Gut so, vielleicht. Du stehst wieder auf, kratzt dich zwischen Sack und Arschloch. An dieser ebenfalls sehr empfindlichen, sehr empfindsamen Stelle. Diesen Weichteilen des menschlichen Körpers. Nadine konnte das damals während des Laufens. Sich am nicht vorhandenen Sack kratzen. Da steckte sie sich manchmal einfach so die Hand in die Hose und roch danach an ihrem Finger. Wie ein Mann. Wie du. Manchmal hielt sie ich  sogar dir unter die Nase. Aber ihren Geruch mochtest du nicht. Man mag nur seinen eigenen Eiergeruch. Arschgeruch. Nie den anderer. Du hast dir damals auch immer direkt die Hände gewaschen, nachdem du ihr den Finger in den Arsch gesteckt hast. Beim Bumsen. Du wolltest sie immer in den Arsch bumsen, aber sie wollte das nicht. Keine Ahnung warum…(beides).

Wir kompensieren Sorgen mit essen…

Kenne ich irgendwoher… Dabei fällt mir ein. Ich hab ja noch Eis.

…wiegt 188 Kilo. Die Selbsthilfegruppe war sein Weckruf…

Der Typ im Fernsehen ist Köln-Fan, zeigt seine alte Trikot-Sammlung. Da würd ich auch essen, um zu kompensieren, denkst du. (Nur ein Witz, ein einsamer Witz in der Dunkelheit, in der Einsamkeit…)

Das Buch taucht immer noch nicht auf. Scheiße.

Am Ende findest du das Buch doch – wieder – nicht und machst dir Sorgen…

Mach dir keine Sorgen, ich komme Morgen…

Und was ist, wenn das nicht auf der Arbeit ist? Was ist, wenn das nicht mehr da ist? Gar nicht mehr da? Dann muss ich das ersetzen… Scheiße…

***

Später am Vormittag checke ich meinen Lottoschein. Ich hab bestimmt wieder nichts gewonnen. Wie immer. Aber dann überraschen mich die Zahlen. Ich habe tatsächlich…3 Richtige…die 30, 31 und 46. Und das sind tatsächlich 13,10€. Scheiße, ich bin reich. Aber ehrlich:13,10 € ist für 3 Richtige echt nicht schlecht!
Warum gibt einem Gott eigentlich immer in den hoffnungslosesten Momenten wieder Hoffnung? Ich hasse das. Ich hasse die Hoffnung


Auch das Scheiß-Buch nehmen die ohne das beschissene Faltblatt an. Wozu hab ich mich eigentlich bekloppt gemacht, den ganzen Tag lang
            och, es gibt da noch so ein paar weitere Gründe, but we wouldn’t want to go into that, would we?!












Mittwoch, 8. Februar 2017

Roma 2012













Wir wohnten damals in so einer „Pension“. Keine Ahnung, wie die genaue Bezeichnung war. Aber ein Hotel war das auf gar keinen Fall. Die hatten wir schon von Deutschland angerufen. Wie wir das immer gemacht haben. Jedes Jahr. Jedes Jahr das Gleiche. Wir suchten uns einen günstigen Flug im Internet (meistens Ryan Air), bezahlten den mit der Kreditkarte von Marías ehemaliger bester Freundin, zu der sie eigentlich schon lange keinen Kontakt mehr hatte, die wir aber immer noch anriefen (immer wenn wir in Urlaub wollten und mit der Kreditkarte bezahlen mussten). Und erst dann, nachdem all das erledigt war, fingen wir an, nach einem günstigen Hotel zu suchen. Nach dem günstigsten, um genau zu sein. Das ging auch immer relativ gut (vorbei waren die Zeiten, wo wir mit María im Kinderwagen in Alicante gelandet waren und erst dann, nach der Ankunft am Flughafen, nach einem Hotel für die Nacht suchten (ich kann mich immer noch an das Gesicht des Taxifahrers erinnern, der wirklich nicht amused war!).

Das war auch in Rom damals so. Das war schon unser zweites Jahr in Rom. Das zweite Jahr hintereinander und ich kann immer noch Nadines Stimme hören, wie sie sagte:

„Immer dasselbe.“


„Können wir nicht mal woanders hin fahren?!“


„Immer Spanien“ (ich weiß, Rom liegt nicht in Spanien, aber davor waren wir schon ein paar Jahre lang immer nur nach Spanien gefahren, immer an einen anderen Ort natürlich, aber ich glaube, das hing ihr trotzdem zum Hals raus).


„Da [und diesmal meinte sie Rom] waren wir doch schon letztes Jahr, in Rom. Können wir nicht mal woanders hinfahren…?!“

„Ok, wohin denn? Wohin willst du denn?“

„Nach Portugal zum Beispiel…“

ach, du Scheiße

Und dann laut: „Ach, du Scheiße! Da, wo die Maddie entführt wurde??!! Portugal ist die europäische Hauptstadt der Perversen. Das ham die damals gesagt, als die entführt wurde…“

nachher entführen die noch María

„…außerdem reden die so komisch. Ich versteh die gar nicht. Zum Beispiel der Freund von der Loreta. Oder Mann. Oder was der auch immer ist. Der ist Portugiese. Und den verstehst du überhaupt nicht…“

alle Portugiesen, die ich bisher kennengelernt hab, waren Arschlöcher, restlos alle

„Oder den Mario damals, auf der Schule. Der war ein Wichser…“

„Du und deine Perversen…"

„Wo willst du denn sonst noch hin?“

„Nach Griechenland.“

ach, du Scheiße, es wird ja immer schlimmer

„Zu den Griechen?! Ne, da fahr ich nicht hin. Nicht als Deutscher. Für dich ist das ja einfach (du bist ja keine Deutsche). Aber für mich. Nicht, dass die mich aufessen…“

„Nur, was du willst. Nur Spanien. Immer nur Spanien.“

„Ne, nach Rom, war doch schön da, oder nicht!? Ich will ja nicht von einem aufgebrachten griechischen Mob gelyncht werden, nur weil ich ein Bayern-Trikot trage. Oder beraubt oder beklaut…“

oder vergewaltigt

aufgegessen

„Näh, Griechenland kannst du vergessen. Und Portugal sowieso.“

„Aber warum wieder Rom?! Warum nicht nach woanders in Italien?!“

„Wohin denn?“

„Nach Neapel.“

oh Gott, das ist ja noch schlimmer

„Nach Neapel?“

haben dir das die Mafia-Ehemänner deiner lateinamerikanischen Freundinnen eingeflüstert, oder was?!
„Da ist ja überall Mafia…und Müll…“

„Du willst aber auch nirgendswo hin, wo ich hin will.“

wenn du nach Neapel willst

„Näh, ich will zur Mafia. Und auch nicht zu den armen Griechen…oder den perversen Portugiesen…außer Spanien gibt es ja auch kein vernünftiges Land in Europa.“

„Da willst du ja nur hin, weil…“

Ich wusste, was jetzt kommen würde. Das war immer das Gleiche. Immer das gleiche Skript. Jedes Jahr, wenn wir in Urlaub fuhren.

Aber am Ende einigten wir uns irgendwie immer auf ein Ziel, mit dem ich auch zufrieden sein konnte. Also weder Portugal, noch Griechenland noch Neapel.

Ich weiß, ich war irgendwie auch nicht besser als sie. Keinen Deut besser, ich weiß.
Aber auch nicht so viel schlimmer: Denn Rom war auch meinerseits ein Kompromiss, war auch nicht mein Traumziel gewesen. Obwohl es mir da gefallen hatte, im Jahr davor, zog es mich – wie jedes Jahr – eher weder nach Spanien. Es gab doch so viele Orte auf der iberischen Halbinsel, die wir noch nicht gesehen hatten. Oder nicht?! Aber das musste wohl warten. Denn dieses Jahr würden wir wieder nach Rom fahren. In die ewige Stadt, die Stadt unserer ewigen Liebe.

Die Pension „bel ami“ befand sich, anders als die letztjährige, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnere, ein bisschen außerhalb. Das heißt, die war nicht irgendwo in der Vorstadt, im Ghetto, aber schon extra muris, also außerhalb der Stadtmauern. Aber nur knapp, denn bis zu selbigen waren es nur fünf Minuten zu Fuß. Die war in einem ganz normalen Wohnhaus, die Pension, aber die Eigentümerin machte uns gleich auf und gab uns einen Espresso zur Begrüßung. Natürlich erst nachdem sie uns gebeten hatte – in Vorkasse sozusagen – für unseren gesamten Aufenthalt in ihrem Etablissement zu bezahlen. Nachdem wir also bezahlt hatten, erklärte sie uns, dass sie gar keine Italienerin sei (ich hatte schon so was geahnt), sondern eine  Rumänin (daher die Vorkasse). Wir bezahlten und wurden brav auf unser Zimmer geführt. Ein Dreibettzimmer, wie immer, wenn wir verreisten. Mit einem großen Bett für mich und Nadine und einem kleinen, einer Pritsche für María. Was so viel hieß wie: Keinen Sex im Urlaub.

(Ich weiß immer noch, wie uns Nadine nur ein Jahr später fast dabei erwischt hatte, wie Nadine mir in diesem Bombenhotel in Barcelona einen blies, am Blasen war, als María unerwartet früh aus der Dusche kam. Das war vielleicht peinlich. Oder in Garrucha, wo ich so geilrucha auf meine Frau war, dass ich unbedingt mit ihr schlafen wollte, obwohl María im gleichen Zimmer schlief.)

Aber alles in allem war das zweite Jahr in Rom nicht mehr so spannend wie das erste. Keine Ahnung, woran das lag. Vielleicht hätten wir ja nach Neapel fahren sollen, haha. Uns für einen Tag von Mafia und Müllbergen faszinieren lassen sollen. Vielleicht wär der Urlaub ja dann spannender gewesen. Ich mein, er war jetzt auch nicht schlecht, aber der Brüller? Auch nicht. Wie immer fuhren wir zum Strand (das kann man in Rom für sage und schreibe 1 Euro!!! (daran sollten sich die Stadtwerke Bonn mal ein Beispiel nehmen), ich las auf dem Klo, am Strand und im Bett (kein Sex!) und wir gingen sogar wieder zu diesem Latino, wo wir ein Jahr vorher yuca gegessen hatten. Aber trotzdem…

Irgendwas störte mich. Irgendwas hatte mich all die Jahre gestört. Nadine war wie immer. Wir redeten und lachten viel wie immer. Und María genoss es auch, mit uns im Meer zu planschen. Wie immer.

Wie immer eben.

Aber vielleicht war es genau das. Das es eben wie immer war. Zwar Urlaub, der auf jeden Fall besser als Deutschland war, aber wie immer. Ich aß Pizza (die gibt es in Rom sogar frisch im Supermarkt), Nadine und María gingen shoppen, während ich brav vor jedem Geschäft stehenblieb und Rammstein hörte. War es Rammstein? Ich glaube schon. Diese harten Lieder, wie zum Beispiel Reise, Reise, die so herrlich in den Urlaub passen. Stand in diesen engen Gassen im Zentrum, unter der Sonne Italiens und hörte Rammstein. Und das passt besser zusammen als sie jetzt vielleicht denken mögen. Während Nadine und María von Geschäft zu Geschäft tingelten. Und ich überall diese Scheiß-Inter-Trikots sah. Ja, genau, das war das Jahr, wo Bayern das Champions-League-Finale gegen Inter verloren hatte. 2012. Das muss es gewesen sein. Unser letztes Jahr in Rom. Ein Jahr bevor wir wieder nach Spanien gefahren waren – diesmal zu Nadines Verwandten in Andalusien. Oder nach Pamplona (in dieses Bombenhotel…)? Ich glaube, nach Pamplona. Und Barcelona. Und Cádiz, in das ich mich auf den ersten Blick verliebte. Ja, ich glaube das war es. Die (buckligen) Verwandten kamen erst ein Jahr später. Oder zwei. Nachdem Bayern endlich wieder einmal das Champions-League-Finale gewonnen hatte und ich voller Stolz mein Trikot präsentieren konnte, wo ich mir zuvor nach Häme ohne Ende („ewiger Zweiter“) hatte anhören müssen.