Freitag, 8. Juli 2016

Richtige Männer















Im Wald, im dunklen Tannenwald, beschwört er – oder besser gesagt: einer seiner vielen verschiedenen „Ers“ – den Geist seines Opas. Seines toten Großvaters, der im Krieg war, bei der U-Boot-Waffe.
 
„Opa, bitte hilf mir! Bitte! Bitte!“

Der hätte vielleicht gewusst, was zu tun ist. Das waren noch richtige Männer. Damals.


 Aber ob dem seine Lösungen so gut gewesen wären?

Deine aber auch nicht.

Was hätte der an deiner Stelle getan?
Ich möchte es gar nicht wissen.

„Opa, bitte hilf mir! Bitte! Bitte!“






Mittwoch, 6. Juli 2016

Sleeping Beauty









Wie sie da liegt und schläft, meine Tochter. So friedlich. So ruhig. Not a care in the world. Das Leben kann so einfach sein. Sie ist so süß. Sie ist immer noch meine Kleine. Meine kleine Tochter. Das wird sie auch immer bleiben. Obwohl sie nächstes Jahr schon 18 wird.

So verletzlich. So zerbrechlich. Ich weiß noch, wo sie klein war. So klein. Ein schönes Kind. Sie war immer ein hübsches Kind

Habe ich es geschafft, ihr den Aufenthalt auf dieser Erde so einfach wie möglich zu machen?

Sie schläft auf dem Bauch. Dominant. Genau wie ihre Mutter. Ich selbst schlafe eher auf der Seite. Auf der einen oder auf der anderen, immer abwechselnd.

Ich bewege mich extra leise, damit sie nicht aufwacht. Damit sie weiterschläft. Das hat sie sich verdient. Jetzt, wo sie Ferien hat. Nach diesem langen Schuljahr. Voller "Pädo-Lehrer", wie sie immer sagt.


Plötzlich klingelt ihr Telefon und eine Voice-Mail meldet sich. „Was ist eigentlich mit Samstag? sagt eine rheinische Mädchenstimme. Keine Ahnung, wer das ist. Ich glaube, das ist Jacqueline, ihre beste Freundin. Aber sicher bin ich mir nicht. Die hören sich irgendwie alle gleich an, die haben irgendwie alle den gleichen fetten rheinischen Akzent. Genau wie deine Schwester damals. Sie blickt kurz und ein bisschen verdattert auf das Display und dreht ihren Kopf dann wieder weg vom Handy in Richtung Schrank und legt sich wieder schlafen.

So süß. Du bist so unglaublich stolz auf deine Tochter, so voller Liebe für sie, dass es fast schon wehtut. Du bist jetzt fast schon 40 und sie ist fast schon 18. Krass. Wie die Zeit vergeht. Unglaublich. Aber heute, hier mit ihr, bist du und kannst du nur glücklich sein. Das musst du neidlos anerkennen.

Und das will Nadine dir und ihr kaputtmachen, nur um ein bisschen Unterhalt zu kassieren. Das deutsche Scheidungsrecht ist schon kurios… Aber das kann sie vergessen. Das kann sie knicken, die blöde Kuh. Das ist ein lupenreines Wechselmodell und wenn sie anderer Meinung ist, soll sie mich eben verklagen.

Wie dein Vater das immer so lässig sagt: Dann soll sie mich eben verklagen, wenn sie was will…!

Im Fernsehen läuft Bares für Rares. Du magst diese Sendung, wo normale Leute versuchen, Antiquitäten oder Kuriositäten an professionelle Händler zu verkaufen.

Es sind die kleinen Freuden… Marías Handy klingelt noch einmal, aber sie verschläft es und dann ist es leise. Draußen zwitschern die Vögel, das Fenster ist auf, die Luft mild, nicht zu heiß und nicht zu kalt, du schreibst und erlebst eine weiteren, authentischen Vater-Tochter-Moment.

Dann bewegst du dich und sie wacht auf, guckt sich kurz um und dreht dann ihr Gesicht dir zu. Ihr schönes, fast schon makelloses Gesicht. Schließlich gibt sie für diese komische Schminkpalette (ich weiß, ich bin ein Mann!) 20 Euro aus. Aber daran liegt ihre Makellosigkeit nicht.

Du traust dich gar nicht hinzugucken. Wie gerne wärst du auch noch mal so jung. Mit 18 hast du Nadine kennengelernt. Im Ysabeau, dieser Latino-Disko in Bonn. Die es mittlerweile gar nicht mehr gibt. Zu viel Razzien, zu viele Illegale, vielleicht auch Drogen, wer weiß das schon.

Ihre dünnen Schultern…

Jeder, der behauptet, dass er nicht noch einmal so jung und so (vermeintlich) unbeschwert sein will, der lügt

Erneut klingelt das Telefon. Das heißt: Es vibriert, zweimal. Wieder diese rheinische Stimme. Keine Ahnung, welche jetzt. Wahrscheinlich wieder Jacqueline. Erneut legt sie sich wieder hin, ihr Gesicht wieder in meine Richtung


Dann, irgendwann ist der Zauber vorbei und sie geht auf Klo. Pinkeln. Oder kacken.











Dienstag, 5. Juli 2016

Du denkst zu viel!









Heute Morgen hast du ein Problem. Das dir keine Ruhe lässt. Du hast nur noch – lasst ihn nicht lügen – 67 Cent an Kleingeld in deinem Portemonnaie. Weil du gestern Abend auf der Arbeit mal wieder zu oft am Automaten warst (schäm dich!). Am Snack- und Getränkeautomaten auf deiner Arbeit. Weil du dir für sage und schreibe 2,40 € drei „Wasa-Sandwiches“ Cheese & Paprika geholt hast. Drei hintereinander. Wennschon dennschon. Aus Frust. Frust über das verlorene Deutschland-Spiel. Oder aus Hunger? Wer weiß das schon so genau.

Und jetzt hast du nur noch stolze 67 Cent an Kleingeld. Und ein paar Hunderter und Zweihunderter. Nein, nur Spaß. Und einen Fünfziger (diesmal kein Spaß). Den willst du natürlich nicht anbrechen. Damit du nicht schon wieder unkontrolliert Fressorgien veranstaltest. Sobald du Kleingeld zur Hand hast. Also bleiben dir nur 67 Cent. Das reicht gerade mal für ein Roggenbrötchen. Ein lausiges Roggenbrötchen! Ein pissiges Roggenbrötchen! Und dabei hast du heute Morgen noch nicht mal so viel gegessen. Nur den restlichen griechischen Käse aus dem Kühlschrank. Sehr salzig und sehr fettig und halbwegs lecker, so pur wie du ihn gegessen hast, auf der Toilette sitzend. Und dann war da noch die Brühe von gestern. Mit Möhrchen, Zwiebelchen, Knoblauchstückchen und Kohlrabibrocken. Auch ein bisschen salzig, aber sehr gesund (auch noch nach einer Nacht) und deinen Wasserhaushalt wieder ins Lot bringend. Die hast du ganz ausgetrunken (direkt aus dem großen Edelstahltopf) und dann die übrig gebliebenen Möhrchen und Zwiebelchen mit einem Löffel gegessen. Das war ok und hoffentlich wenigstens gesund, obwohl du dir da auch nicht so sicher sein kannst, nach einer ganzen Nacht draußen.

Und jetzt hast du ein Problem.

Eigentlich willst du dir ja eine fette, vor Fett förmlich triefende, mit Käse überbackene Geflügelrolle holen. Bei Mr. Baker. Und dazu noch eine dieser fetten, türkischen Blätterteigschnecken mit weißem Käse, Böreks oder wie auch immer die heißen. Aber zusammen kostet das locker 3 Euro irgendwas. 3,70, 3,75 oder sogar 3,80. Keine Ahnung. Und den Fünfziger willst du auch nicht anbrechen. Das hast du dir nach deinen drei Wasa-Sandwiches gestern auf der Arbeit geschworen. Der wird nicht angebrochen. Du hast ihn sogar extra in ein anderes Fach im Portemonnaie getan…
…aber leider nicht vergessen, dass er überhaupt da ist. Neben all den Hunderten und Zweihunderten, haha. Und außerdem: Wer weiß schon, ob die den überhaupt nehmen. Und dann stehst du da. Dann stehst du am Ende da…und bist gefickt. Wie das sprichwörtliche Eichhörnchen. Wenn die keine 50er nehmen, ganz zu schweigen von Hunderten oder Zweihundertern. Außerdem wolltest du ja abnehmen, damit deine Hosen mal wieder länger halten. Damit sich nicht immer dieses hässliche, unansehnliche Loch an der Innenseite der Oberschenkel auftut. Bei Frauen mag das ja schön sein, an dieser Stelle; aber bei Männern, in der Hose? Du weißt noch wie deine Mutter kurz nach der Trennung, als du bei ihr im Wohnzimmer saßt, gesagt hat: „Deine Hose ist kaputt!“ So als wär sie froh darüber, dass sie etwas an dir kritisieren kann. Im Fehler anderer aufzeigen war sie schon immer gut – Gott hab ihre Seele gnädig.

Und das sind dann viel zu viele Kalorien. Eine Geflügelrolle, dazu noch überbacken mit Käse, und eine Blätterteigschnecke. Aber andererseits sagt der Teufel auf seiner anderen Schulter: Denk einfach nicht darüber nach, mach dich doch nicht bekloppt! Scheiß drauf! Fuck it! Stars essen auch, was sie wollen! Geh einfach zur Bank!

Und schon tut sich eine Reihe von neuen Problemen auf:

1.    Hast du überhaupt noch Zeit? Schaffst du das noch? die Bank in der Innenstadt ist immer ziemlich voll. Du willst ja auch nach am Dialog-Gerät die Kontobewegungen verfolgen. Wenn du da nicht rechtzeitig drankommst… Wenn da eine Oma vor dir ist, die ihre Ersparnisse immer und immer wieder checken muss. Sich an ihr Konto klammert wie an einen Rettungsring.
2.    Angst vor dem Kontostand. Weder zu hoch noch zu niedrig ist gut und die gesunde, goldene Mitte hast du noch nie zu treffen vermocht, in deinem Leben. Oder zu lang? Viel zu viele Jahre in ihr gelebt? In der goldenen Mitte, die nicht Fisch, nicht Fleisch war…
3.    Wie viel Geld soll er abheben? 200? Oder 300? Oder gar 500? Er hat noch 50 im Portemonnaie. 500 sind zu viel, 150 oder 200 zu wenig. Das muss er alles bedenken. Vorher. Er muss es nicht nur, er tut es auch…
…und außerdem weiß er nicht, ob er überhaupt noch genug Zeit hat, um noch rechtzeitig Geld abzuheben. Er muss ja auch noch, wenn er in Bonn ankommt, zur Bank gehen. Und wieder zurück zum Zug.
Und 4. Nicht, dass er, wenn er seinen Laptop und seinen schweren Rucksack den ganzen Weg zur Bank schleppt, nicht, dass er dann wieder total am Schwitzen ist. Und dann womöglich (wieder) stinkt, wenn er nach Bad Neuenahr kommt. Und er hat heute zwar ans Deo gedacht, aber in diesem Roll-on-Teil war nicht mehr so viel drin. Und überhaupt: Er will ja auch nicht seine neuen Hemden versauen!

Sie sehen: Neben der Tatsache, dass wir alle sterben werden, gibt es so unendlich viele, kleine, alltägliche Dinge zu bedenken, die jeden Tag ihren Bahnen durch unsere Köpfe ziehen, unser Gehirn durchfurchen, indem sie immer und immer wiederkehren, in gedanklichen Endlosschleifen, Denkspiralen, den ganzen Tag lang, die in endloser Abfolge aufeinanderfolgen wie die Wellen im Meer, während er Zuhause ist, auf den Bus wartet, im Bus in die Stadt fährt, eigentlich ständig.

Und wenn er das mit der Bank lässt? Und sich nur ein Roggenbrötchen für 65 Cent holt? Und wenn das aber 70 Cent kostet? Dann steht er da mit seinem Fünfziger…und will damit ein 70 Cent teures Roggenbrötchen bezahlen…außerdem weiß er nicht, ob das auch reicht…bis heute Nacht…ein Roggenbrötchen klingt wenig…arg wenig…aber er kauft sich heute Nacht bestimmt wieder ein Gyros-Pita (besonders, wenn er Trinkgeld bekommt!)…das muss er dann auch ausgleichen…also: wenn er den ganzen Tag nichts mehr isst, dann müsste das gehen…dann müsste das vertretbar sein…

Aber wenn er zur Bank geht? Wenn er 250 abhebt? (Das sind dann auch kleine Scheine dabei!) Und wenn er auf der Arbeit noch etliche Latte Macchiato trinkt? Mit Kondensmilch mit einem Fettanteil von 7,5%? Und wenn er nur ein Roggenbrötchen ist? Aber wenn das keine 65 Cent kostet, sondern mehr…?

Und plötzlich, schon im Bus in die Stadt, denkt er: All dieses Denken, all diese Gedanken sind doch total überflüssig. Du musst deinen Geist entleeren, wie das in diesem Buch steht. Du musst den Reset-Knopf drücken. Du musst (einfach) an nichts mehr denken. Nein: Auch nicht mehr an das Nichts! Einfach an nichts mehr. Du musst deinen Kopf entleeren. Du musst die Gedanken rausschmeißen. Die Sorgen, die dir zu viel Kraft rauben, dich nur ganz kirre und dir das Leben zur Hölle machen. Wie der Tiger. Der denkt auch nicht den ganzen Tag über allen möglichen Scheiß nach. Wenn er auf der Jagd ist…

Das ist wie Tyler Durden das im Fight Club sagt:

Fuck what you know. You need to forget about what you know, that’s your problem. Forget about what you think you know about life…

Scheiß auf das, was du weißt. Du musst vergessen, was du weißt, das ist dein Problem. Vergiss, was du zu wissen glaubst über das Leben…

Amen.


Du hast ein Recht, glücklich zu sein.






Montag, 4. Juli 2016

Mein Manifest gegen den Tod









Warum machst du das? Warum machst du das, was du tust?

Um dir selbst eine Stimme zu verleihen.

Um Leuten wie dir eine Stimme zu verleihen…normalen Leuten, die keine Millionäre werden. Keine Rockstars, keine Manager…

„Nicht gut genug“, hörst du Tyler Durden in deinem Kopf sagen. „Nicht gut genug.“

Um den Tod wieder ins Bewusstsein zu bringen. Denn obwohl wir ihn in unserer Gesellschaft aus den Augen verloren/verdrängt haben, ist er immer noch da. Ist noch nicht gebannt. Ist immer noch unser ständiger, treuer Begleiter. Unser treuester Begleiter.

„Schon besser.“ Aber noch nicht ganz…gut genug.

Den Tod abwenden.

„Hahaha. Zu unrealistisch.“

Ok, dann…keine Ahnung.

Jungs, was hättet ihr gern noch gemacht, bevor ihr sterbt?

Schreiben, berühmt sein, Anerkennung bekommen, für das, was man ist. Was man wirklich ist… Das Leben beschreiben. Wie es ist, wie es wirklich ist.

Nicht, wie in diesen Scheiß-Büchern. Die, die veröffentlicht werden und von Abenteuern, Action und keine Ahnung was für einem unealistischen Scheiß handeln. Die keinen Deut mit deinem alltäglichen Leben zu tun haben. Mit deiner alltäglichen Erfahrung 

„Du musst doch eine Antwort wissen. Wenn du jetzt sterben würdest, wie würdest du dein Leben im Nachhinein finden?“

Ich würde sagen, ich finde nichts Gutes an meinem Leben.


Warum machst du das dann?

Was machst du und warum?

Es geht nicht um Geld, steht in dem Artikel. Es geht nicht um das Geldverdienen. Es geht richtig erfolgreichen Menschen nur um diese eine Frage: Was tue ich und warum?

Keine Ahnung.

Nicht gut genug!

Sie dich nur an. Du bist erbärmlich. Auf den Nullpunkt kommen ist kein Wochenendseminar. Hör auf, alles kontrollieren zu wollen. Las einfach los! Lass los!



Den Tiger in mir finden.

Finde deinen inneren Tiger!

Fick deinen inneren Tiger!

Und fick ihn In den Arsch!


Der Welt beweisen, dass du existierst. Dass Leute wie du existieren. Und verdammt wütend sind. Dass es auch Leute wie die gibt… Neben der ganzen Scheiße, die man in der Werbung sieht, Im Fernsehen, von denen man in Magazinen liest. Und den ganzen „netten“ Leuten in Deutschland. Leute mit kurzen, karierten Hosen und langen roten Hemden darüber. Mit Basketballschuhen, für 25 Euro in Spanien erstanden. Leute, die leiden, die leben, die Gefühle haben, die Angst haben, Angst vor dem Sterben haben, die nicht alles ruhig angehen (das können sie gar nicht), alles gelassen sehen, die nicht immer cool bleiben, die sich aufregen, die ausflippen, ausrasten, rumschreien, unter Trennungen leiden, leiden, immer wieder leiden, unter dem Leben, dass sie nicht gewollt haben. Die nicht joggen können. Die übergewichtig sind. Die keine Freunde haben, kein Geld, keine Frauen, kein Haus, kein Boot, keine Familie, aber trotzdem noch an die Liebe glauben. Die nicht schön sind, nicht „nett“ und die sich überhaupt ständig wiederholen (in jedem Post!), ständig den gleichen Scheiß labern, schreiben, verschweigen. Die langweilige, geborene Verlierer sind.

Und trotzdem noch nicht tot…

Und wütend…

Verdammt wütend…


Wir sind grad hart am Leben vorbei geschrammt

darum