Mittwoch, 6. April 2016

Liebe ist...schon Scheisse









Es ist komisch, aber du liebst sie immer noch. Tief drinnen in deinem Herzen, hinter all dem Hass, all der Wut weißt du ganz genau, dass du sie immer noch liebst. Nach einem Jahr Trennung.

Ist das nicht verrückt?!

Ich weiß es nicht.

Du stellst dir sogar vor, was du tun könntest, um sie zurückzubekommen. Was du machen könntest, damit sie zu dir zurückkommt

Obwohl du weißt, dass das Schwachsinn ist.

„Die wird auch in zwei Jahren nicht zu dir zurückkommen. Da kannst du warten so viel du willst.“

Wer hat das noch mal gesagt? Deine Mutter, deine Schwester, dein Vater oder beide.

Du weißt noch ganz genau wie deine Tochter vor dir stand und gesagt hat: Die Mama kommt nicht zurück. Einfach so. Fast kalt, fast gleichgültig. Oder war es ganz anders und sie war immer noch geschockt. Sie hat immer zu dir gehalten, Obwohl du weiß Gott kein idealer Vater warst im letzten Jahr.

Tief drinnen weißt du, dass du sie noch liebst. Trotz allem, was du ihr, was sie dir und was ihr euch gegenseitig angetan habt. Hass ist besser als Gleichgültigkeit. Du weißt, dass du immer noch Liebe für sie empfindest. Dein Hass, deine Wut schreit es dir förmlich ins Gesicht. Aber du weißt nicht wie. Du weißt nicht, wie das funktionieren soll. Wie das wieder funktionieren sollte

Eigentlich weißt du, dass das funktionieren würde…

Aber wie?

Und genau weil du das weißt, willst du die Scheidung. Genau deswegen. Ist doch komisch, oder

Und gleichzeitig willst du deiner Anwältin sagen, dass du sie eigentlich noch liebst. Bis zum Geht nicht mehr. Du willst es dir von der Brust reden. Von der Seele. Und stattdessen fährst du immer schwerere Geschütze auf, legst ihre Kontobewegungen vor, ihr Schwarzgeld, ihre „Kassengeschäfte“, ihren Abschiedsbrief, alles, was du hast

Was du hasst

Und dabei liebst du sie doch immer noch so sehr

Ist schon verrückt, oder?!

Diese Welt ist…

Dienstag, 5. April 2016

Finanzamt: Gute Gesellschaft



05.04.16




Heute geht er ins Finanzamt. Er kann es nicht mehr aufschieben, so gern er das auch tun würde. So gern er weiter unter der Steuerklasse 3.1 besteuert werden wollte. Das ist gesetzlich so geregelt. Obwohl er gleichzeitig immer weiter für ihr Haus in Ecuador erhöhte Krankenkassenbeiträge zahlen muss, da sie Vermögen hat. Bis zur Scheidung. Aber die Steuer muss ab dem 1. Januar des auf die Trennung folgenden Jahres geändert werden. Wusste er bis vor ein paar Tagen nicht. Hat er aus einem Buch zum Thema „Männer und Scheidung“ erfahren. Eins von den mittlerweile locker 15 Büchern, die wild verstreut überall in seinem Schlaf- und Wohnzimmer rumliegen. Er muss das beantragen, sonst winken Nachzahlungen. Und mit dem Finanzamt legt man sich besser nicht an – egal wie viele Bilder mit schönen, beruhigenden Strandlandschaften da im Wartezimmer rumhängen.

Er tritt in eben dieses Wartezimmer und da ist…niemand. Komisch. Er zieht eine Nummer. 818. Auf der Anzeigentafel steht 817 und genau in diesem Moment tritt ein junger, genau so eingeschüchtert wie er wirkender Mann aus einer der Türen in dem langen Flur, der gerade renoviert wird (aber das Finanzamt arbeitet einfach weiter). Und schon ist er dran.

Er ist dran. Jetzt ist er dran. Scheiße. Er atmet tief durch, aber es hilft ja alles nichts. Er muss da jetzt durch. Er muss da jetzt rein. In Zimmer 13 (Scheiße, die 13), das es in manchen Ländern gar nicht gibt. Er muss gestehen, dass er erst jetzt gemerkt hat, dass er die Steuernummer zum Anfang des Jahres hätte ändern müssen und jetzt schon geschlagene 3 ½ Monate zu spät ist.

Aber warum hat ihm das auch keiner gesagt. Das sagt ihm keiner. Auch seine Anwältin nicht. Toll, wofür hab ich dann eine?!

Aber alles Jammern hilf da nicht. Das ist das Finanzamt, da geht es nur um harte Zahlen und Fakten. Nicht um seine Befindlichkeiten. Wenigstens hat Nadine es auch vergessen, denn er wurde noch nicht von denen benachrichtigt, wie das unten, am Rand des Formulars  für den Dienstgebrauch vermerkt ist. Gut zu wissen.

Vielleicht fällt sie ja noch schlimmer aus den Wolken als er. Ab heute 11:32 wird zurückgeschossen. Ab heute bist du steuerrechtlich keine verheiratete Frau mehr, sondern ein Single – wie du es auf deinen ganzen einschlägigen Seiten schon lange bist. Aber so angenehm wie auf den Dating-Portalen ist das nicht, wenn das Finanzamt involviert ist. Frag mal Hoeneß. Oder Messi. Oder Mascherano. Oder Neymar. Warum muss eigentlich die gesamte Sturmreihe des FC Barcelona nicht in den Knast, wenn ein alter Mann wie Hoeneß ohne Gnade einfährt. Ich liebe Deutschland, habe ich das schon mal gesagt…

Und alleinerziehend bist du auch nicht, also ist es nüs mit Klasse 2. Vielleicht kriegst du ja so deine heiß ersehnte Rache. Vielleicht hat es ja auch was Gutes. Vielleicht kannst du ihr ja so durch die Hintertür einen reinwürgen, wenn sie von denen benachrichtigt wird, denn sie muss ja auch ihre Steuerklasse ändern. Du hast ja keine Wahl, siehst du dich Nadine ins Gesicht sagen. Was soll ich denn machen? Das ist gesetzlich so geregelt, da kann ich nix dran ändern…

Aber zuerst einmal musst du da rein. Musst die Pforte zur Hölle selbsttätig öffnen und auf die Gnade der Mitarbeiterin hoffen – hoffentlich (nicht) die mit dem tiefen Ausschnitt von letztens. Die, die die Nordsee an der Wand hängen hatte. Oder die Ostsee. Zur Beruhigung. Der „Kunden“ oder ihrer selbst? Bestimmt der Kunden, wenn sie die schlechten Nachrichten hören. Das ist hier wie bei einem Krebsarzt. Und das obwohl du das alles gar nicht wolltest. Bis an dein Lebensende bei Nadine geblieben wärst. Bis dass ihr Tod euch geschieden hätte. Oder deiner? In schlechten und noch schlechteren Tagen, In Trauer und Depression…ja, ist ja gut…

Es hilft ja alles nichts. Du gehst in das Büro und siehst gleich, dass das nicht die mittelaltrige mit dem tiefen Ausschnitt ist, sondern eine noch ältere mit Brille. Ist das jetzt gut oder schlecht? Egal

Du sagst hallo und erklärst ihr die Situation: „Ich habe mich letztes Jahr im März von meiner Frau getrennt…“
(Buhuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu)

„…und wollte jetzt die Änderung der Steuerklasse beantragen.“

„Ja“, sagt die Dame bedächtig und steht auf, geht zu einem kleinen Regal in deiner unmittelbaren Nähe und entnimmt ein Formular. „Da brauchen Sie dieses Formular. Da müssen Sie hier Ihren Namen und ihre Daten eintragen…und hier unten die ihrer Frau. Und hier das Trennungsdatum. Das ist wichtig! Und dann unterschreiben.“

„Ok.“ Kleinlauter geht wohl kaum.
„Äh, wie ist das mit der Jahresfrist. Die hab ich ja jetzt verpasst. Muss ich da mit irgendwelchen Konsequenzen rechnen?“

„Ne, da sind sie in guter Gesellschaft.“

Was auch immer das heißen soll, denkt er, ist aber erleichtert, dass er keinen Ärger kriegt. Außer einem deutlich erhöhten Steuersatz, auf den ihn die nette Dame noch aufmerksam macht.

Na dann Dankeschön und Prost Mahlzeit. Hat Nadine das alles bedacht, als sie einfach so gegangen ist? Nur, weil sie ihren Schwager mehr liebt als mich. Ich glaube nicht. Aber der ist das egal

Obwohl dein Vater damals ominös gesagt hat: Die wird sich auch noch umgucken…

Vielleicht muss sie das ja jetzt, ob sie will oder nicht. Du musst es schon seit einem Jahr.

Draußen, wieder an der frischen Luft, denkst du: Und was meint die überhaupt mit „Da sind Sie in guter Gesellschaft…“ Die ist gut! Der war gut. Aber vielleicht ist sie ja selbst geschieden. Oder geschieden worden. Von ihrem Mann, diesem Arschloch. Diesem rücksichtslosen Arschloch.

Ist doch wahr…

Oder was meint die? Was für eine Gesellschaft. Heißt nicht die Mafia in Italien auch die „gute“ Gesellschaft? Oder war das die „ehrenwerte Gesellschaft“?

Will ich da dazugehören, in der „guten“ Gesellschaft? NEIN. Aber wer fragt mich schon?! Niemand

Aber der Spruch mit der guten Gesellschaft lässt ihn irgendwie nicht los. Das mag an seinem obsessiven Charakter liegen, aber…

Auf dem Nachhauseweg stellt er sich eine geheime Gesellschaft vor, in die die Getrennten laut Gesetz eintreten müssen – ob sie nun wollen oder nicht. Einen Geheimbund, in dem man sich von der Ex-Partnerin – oder dem Ex-Partner – löst, indem man Partys mit Prostituierten und zu allem bereiten Strippern feiert, Pornos guckt und geheime Rachepläne schmiedet. In der man ein Aufnahmeritual hinter sich bringen muss:
Sie werden erst vollwertiges Mitglied in der „guten“ Gesellschaft der Getrennten, wenn Sie
-       mindestens mit fünf Frauen/Männern geschlafen haben – und das jeweils nur einmal
-       an mindestens einem oder gleich mehreren Tagen (oder für die ganz harten Fälle Monaten) wild schluchzend und der Vergangenheit nachtrauernd mindestens 5 Liter Bier, 2 Liter Spirituosen, etliche Gramm harter Drogen sowie Tonnen von Frikadellen, Eis, Cola, Gyros, Döner und Fritten in sich hineingeschüttet und – gestopft haben.
-       Versucht haben, mindestens einem Familienmitglied ihrer/ihres Ex eine schwere Körperverletzung, irreparablen seelischen Schaden oder im besten Fall einen Mord zugefügt haben (die Gesellschaft kümmert sich um die Entsorgung!)
-       eine Kontaktsperre eingerichtet haben (keine Ausnahmen, auch nicht zum Geburtstag, zu Weihnachten oder zu Nikolaus!)
-       alle Fotos ihrer/ihres Ex bei Vollmond verbrannt haben und dabei düstere Beschwörungsformeln und wilde Flüche und Verwünschungen genuschelt haben
-       einen Anwalt/Anwältin mit ihrem Fall beauftragt haben und diesem mindestens ein schmutziges Geheimnis ihrer Frau anvertraut haben (Schwarzgeld, Vermögen, Liebhaber, etc.; ein „scharfer“ Anwalt gibt Bonuspunkte!)
-       mit mindestens einem weiteren Mitglied der „Gesellschaft“ gekämpft haben (auch Mehrfachkämpfe und Kämpfe mit mehreren Mitgliedern auf einmal sind erlaubt, aber es gilt: Wer neu in der Gesellschaft ist, der muss kämpfen.)
-       mindestens einmal zertifiziert komplett „abgestürzt“ sind (als „Absturz“ gilt sowohl der physische (Alkoholvergiftung, Drogenüberdosis, Herzinfarkte oder -schwäche , Schlaganfälle) als auch der psychische (Klinikaufenthalt, Suizidversuch, Nervenzusammenbruch, Selbstverletzung)

Eigentlich gar keine schlechte Idee. Ich gründe einfach eine Gesellschaft! Was wohl die Tante vom Finanzamt dazu sagt?

Montag, 4. April 2016

Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit








Es ist 01:45. Er liegt im Bett und kann nicht schlafen, findet einfach keinen Schlaf. Die Gedanken kreisen ihm durch den Kopf. Er hat schlecht geträumt und schläft eh nicht mehr so gut, aber das ist nicht alles. Immer wieder denkt er: Ich will die Wahrheit. Ich will wenigstens die Wahrheit.

Jetzt werden alle davon erfahren

Er will die Wahrheit. Er hat ein Recht auf die Wahrheit. Oder auch nicht. Das ist ihm egal. Er will einfach wissen, was Sache ist. Nur die Wahrheit. Nicht seine. Ihre. Er hat lange genug in den Spiegel geschaut. Er kennt „seine“ Wahrheit. Er ist mit sich selbst im Reinen. Der Blick nach innen wird ihn nicht weiterbringen. Er hat viel zu lang nur über sich nachgedacht, nur über seine Gefühle. So lange, in fact, dass er jetzt mit sich selbst im Reinen ist. Soweit man das überhaupt jemals sein kann. Nicht im Reinen vielleicht, aber fertig. Er ist fertig mit sich selbst. Er kennt seine Gefühle und Motive. Er kann nichts mehr daraus lernen. Er hat es ein Jahr lang probiert und jetzt ist er, wenn schon nicht mit sich selbst im Reinen, dann doch wenigstens mit sich selbst im Klaren. Er weiß, wer er ist. Man kann nicht ein ganzes Leben lang nach innen schauen. Dann sieht man nicht, was um einen herum passiert. Denn dann sieht man nicht, was um einen herum passiert. Und dreht sich immer wieder im Kreis. Weil man in sich selbst keine Antworten finden wird. Wie sollte man auch. Wie konnte er nur so dumm sein, das zu glauben. So naiv. Die Antworten sind da draußen in der Welt, in Bonn, in der Altstadt. Sich selbst kennt er mittlerweile gut genug. Er hatte ein Jahr, um in den Spiegel zu gucken.

Er hat geträumt, von einem Mann, der in seinem Bett liegt. In dem gleichen Bett, in dem er jetzt liegt. Das kann doch nicht sein, denkt er, aber im Traum sieht er ihn in dem Bett liegen und er weiß, dass es sein Bett ist. Er hat eine Glatze und im Traum verbiegt er ihm die Nase… Vielleicht wird er auch verrückt. Vielleicht hat er auch so lange den Blick auf sich gerichtet, so lange in sich hineingeguckt, dass er die Wahrheit gesehen hat. Die Wahrheit über sein Leben, über die Realität. Seine Realität. Er hat wie Mistah Kurtz den Horror, den Horror gesehen. Nicht im Dschungel, sondern in sich selbst. Er ist ein Jahr den Fluss hinabgefahren und anstatt die Wahrheit zu finden, hat er nur sich selbst verloren. Vielleicht hat er aber auch nur den Blick für die Welt um sich herum verloren. Mistah Kurtz war, glaub ich, auch Deutscher. Ein Deutscher, der in das Herz des Dschungels gefahren ist. Sein Vater hat Recht, er kann es jetzt sehen: Es dreht sich nicht alles um ihn. Es gibt noch mehr da draußen. Und wenn er schon nicht sein Glück bei einer neuen Partnerin findet, finden will, dann will er wenigstens die Wahrheit über die alte wissen. Seine Alte, haha. Das wird ihm nichts bringen, das weiß er. Darüber ist er sich durchaus bewusst. Für sie wird das nichts bringen. Aber es wird ihm Klarheit bringen. Er muss den Fluss hinabfahren, den Fluss zurückfahren, nicht in sich selbst hinein, sondern in den Dschungel. Den Dschungel um ihn herum. Ein Jahr lang hat er sozusagen den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Obwohl er jeden Tag in ihm laufen geht. Stop spinning, start living. Oder wie Morrissey das sagt: I entered nothing and nothing entered me. Aber es gibt noch mehr als seinen eigenen fetten Arsch. Sein Vater hat Recht. Er muss aufhören, sich um sich selbst zu drehen, sich hin und her zu wälzen in seinem eigenen Bett. Er muss anderen den Schlaf nehmen. Ein ganzes Leben lang wurde er von allen nur darauf trainiert, die Schuld bei sich selbst zu suchen, über sich selbst und seine vermeintlichen „Probleme“ nachzudenken. Seine „Ausraster“, sein „Theater“, seine Unzulänglichkeiten. Aber er hat nie gesehen, dass das nur die halbe Wahrheit, dass der Weg zur Wahrheit auch über die anderen führt. Vielleicht sogar vornehmlich. Er hat den Blick auf die anderen verloren, sich viel zu sehr auf sich selbst konzentriert. Vielleicht wollten sie das, vielleicht war das sogar beabsichtigt. Damit er nicht zu viel sieht. Das big picture. Und er ist ihnen voll auf den Leim gegangen. Er war wirklich ein bisschen dumm, ein bisschen naiv, aber wenn man von klein auf lernt, die Fehler bei sich zu suchen…dann kennt man nichts anderes. Außer seine Gefühle. Seine Gedanken. Aber seine Gefühle und Gedanken sind klar. Er weiß, wer er ist. Soweit man das jemals wissen kann. So sehr, dass er sich mit sich selbst langweilt, mit seinem Selbst. Jetzt ist die Welt dran. Was denkt sie, was geht in ihr vor? Was sind ihre Motive. Er kann nicht nur den Horror in sich selbst suchen, er muss ihn in der Welt suchen. In ihr

Man sieht sich immer zweimal im Leben...








„Man sieht sich immer zweimal im Leben“, sagt der Kontrolleur in der Bahn zu diesem Typen, der ihm wahrhaftig erzählen will, dass er nur einen Hunderter hatte und deshalb kein Ticket am Automaten ziehen konnte. Einen Hunderter! Wer hat denn schon Hunderter in der Tasche?! Drogendealer. Zocker. Aber doch nicht dieser Doof…

Du denkst über den Satz des Kontrolleurs nach. Du hast ihn auch gebraucht, in dem Brief, den du am Tag deiner Trennung an Rafael, einen seiner Brüder, seine Frau und seine Tochter geschickt hast. Moment: an seine Schwester glaub ich auch noch. Die hat sogar geantwortet. Wie ernst du doch seist. Ja lebt die denn im Takka-Tukka Land? Das alles in ihrem Leben nur Spaß ist? Wenn mich meine Frau nach 19 Jahren gemeinsamen Lebens verlässt und meine Tochter mitnimmt, ist das weiß Gott kein Spaß.

Wenn ich Rafael an diesem Tag erwischt hätte…

Bei Herrn Klein hast du den Satz damals zum ersten Mal gehört. Warst beeindruckt. Hast direkt gedacht: Stimmt das wirklich? Wenn das stimmt…

dann müssten dir einige Leute zweimal begegnen. Eine ganze Liste von Leuten.

Aber stimmt das auch? Oder begegnet der Typ dem Kontrolleur nie wieder oder nie wieder ohne Fahrkarte?

Begegnet er Rafael nie wieder?

Gibt es keine Rache? Kann er keine Rache nehmen? Oder gibt es sowas wie eine divine retribution? Wie heißt das auf Deutsch?

Google sagt "Göttliche Vergeltung". Gibt es sowas? Dass alle zur Rechenschaft gezogen werden? Das jeder irgendwann merkt, was er für Fehler gemacht hat? Das Leben wäre schön.

Oder ist das nur ein weiterer leerer Spruch, der geschaffen wurde, um unser Leben auf diesem einsamen Planeten ein bisschen erträglicher zu machen? So wie Gott, der für manche nichts anderes ist als Opium für das Volk. Ein leeres Versprechen, das uns die Hoffnung zurückgibt.

Uns die Hoffnung nicht verlieren lässt, auf diesem einsamen, kalten Planeten