Montag, 13. Juni 2016

Ihr Ex - Teil 2










Heute fällt es ihm wie Schuppen von den Augen. Das war bei allen ihren Partnern das Gleiche. Immer die gleiche Vorgehensweise. Der gleiche Modus Operandi sozusagen. Immer die gleiche Masche. Oder war es keine Masche? Bei ihm kam die zweite ihrer Schwestern aus Spanien wieder und schon war es aus. Sie sei nicht glücklich mit ihm, hatten sie ihr eingeredet. Und sie hatte sich das auch nur allzu bereitwillig einreden lassen. Immerhin war das ihre ältere Schwester und nicht irgendwer, der das sagte. Und bei ihrem angeblich ersten Freund in Deutschland, bei Olav hatte sie sich auch von ihm getrennt, er hat ein Riesentheater gemacht im Flur und ihre Schwester hat für sie die Drecksarbeit übernommen, ihn endgültig loszuwerden. Ihm zu drohen und ihn vor die Tür zu setzen. Und schon war er weg. Entsorgt. Wenn das überhaupt so stimmt. Vielleicht ließ er sich ja gar nicht so einfach entsorgen, machte in Wirklichkeit mehr Schwierigkeiten als sie mir weismachen wollte. Aber am Ende setzte Slainté sich durch. Mit ihrer unnachahmlich charmanten Art. Für irgendwas muss die Familie ja gut sein. Am Ende haben sie sich doch mit vereinten Kräften gegen ihn durchgesetzt. Es war ein langer Kampf. Länger als bei Miguel und bei Olav, aber am Ende war er doch von Erfolg gekrönt. Wenn man so drüber nachdenkt, dann könnte man glatt meinen, das hätte System. Ihre Schwester macht ihr alle Beziehungen kaputt. Oder sie lässt alle ihre Beziehungen mit Hilfe ihrer Schwester über die Klippe springen. Vielleicht ist ja ihre Schwester für sie so etwas, wie die Frau fürs Grobe. Aber er weiß nicht, wer bei denen das Heft in der Hand hat. Vielleicht ist sie ja genauso schlimm. Zwei Krähen…
Dabei war das Verhältnis zwischen den beiden bei weitem nicht immer so harmonisch. Ich weiß noch damals, als ich gerade mit ihr zusammengekommen bin (oder sollte ich besser sagen: zusammen gekommen?), hat sie sich dauernd über ihre Schwestern aufgeregt. Besonders über Mandy. Die ging ihr damals so richtig auf die Nerven.

„Immer muss ich alles für die machen. Die kann kein Deutsch, die kann keine Arbeit suchen nichts. Alles muss ich machen. Und dann ist sie noch herrisch wie sonst was. ¡Es una mandona!

Und selbst bei Miguel, ihrem Freund in Ecuador,  ist es trotz alledem wieder Slainté, die eine entscheidende Rolle spielt. Denn sie kommt als erste nach Deutschland, findet hier Arbeit und holt ihre Schwester. Fester Freund oder nicht. Wenn interessiert das schon. Er weiß von nichts, sie erzählt ihm, dass sie mit ihm auf eine Party gehen will, wo sie nie auftaucht und er fällt aus allen Wolken, als er feststellen muss, dass seine Freundin schon nicht mehr im Land ist. Dass sie vielleicht schon in Europa ist, in Deutschland, bei ihrer Schwester. Dass sie ihm vielleicht nur etwas vorgemacht hat. Die ganze Zeit über. Denn wenn sie ihn geliebt hätte, wäre dieses Gefühl doch sicherlich stärker gewesen als ihr Wunsch nach Freiheit, nach etwas Neuem, nach Geld, nach vermeintlich besseren Verhältnissen. Einem besseren Leben.

Immer wenn er mit ihr darüber geredet hat, hat sie das Thema runtergespielt, hat gesagt: Dem geht es doch wieder gut. Der hat jetzt zwei Töchter und eine andere Frau.“

„Hattest du nie Lust, den wiederzusehen?“

Darauf hat sie nie richtig geantwortet. Und er dachte, das sei so, weil sie immer noch Gefühle für ihn hatte. Damals hatte er sich gerade von Conchita getrennt und konnte das nachvollziehen. Oder sie glaubte, er sei noch immer zu wütend, hegte ihr immer noch einen Groll wegen damals. Weil sie ihn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einfach so sitzengelassen hatte. Ihn einfach so belogen hatte, was ihre europäischen Pläne anging. Oder einfach geschwiegen hatte. Einfach so nichts gesagt hatte. Damit er ihre Abreise nicht verhindern kann. Damit er nicht ungemütlich wird. Sich normal zu trennen wäre ja auch viel zu anstrengend gewesen. Emotional. Aber die feine englische Art ist das trotzdem nicht. Irgendwie kommt ihm das alles auf eine  schmerzhafte Art und Weise bekannt vor. Miguel war auch jünger als sie. Nicht unbedingt fünf Jahre, so wie zwischen ihm und Nadine, sondern glaub ich drei oder vier. Sie 19, er 16 oder vielleicht sogar erst 15. Robacunas nennt man so was auf Spanisch. „Wiegendiebin“. Oder „Wiegendieb“ in der männlichen Ausprägung. So bezeichnet man eine Frau oder einen Mann, der einen (viel) jüngeren oder gar einen viel zu jungen Partner hat. Und selbst ihr Neuer, wenn das ihr Neuer ist, der Sohn von ihrer Chefin, der natürlich Spanisch kann, aber natürlich nie mit ihr spricht, weil er sich nicht traut, obwohl er als Ingenieur viel Zeit in Mexiko verbringt und dort bestimmt Spanisch redet und nicht Englisch… Und ihr Neuer, ihr Neuer ist soweit ich weiß, auch erst 37. Jünger als er selbst. Na, wie fühlt man sich da, wenn man für einen Jüngeren verlassen wird. Obwohl du das ja nicht genau wissen kannst, weil wie bei Miguel ja gilt: Aus den Augen, aus dem Sinn. Der beste Umgang mit dem Ex ist ihn komplett totzuschweigen. Aber er ist nicht tot. Zumindest noch nicht. Zwar auch nicht gerade alive and kicking, aber auch nicht tot. Vivo y coleando heißt das auf Spanisch. Das ist im Grunde genommen  die gleich Wendung. Nicht zu verwechseln mit vivo y culiando, was so viel heißt wie „lebend und fickend“. Con perdón. Entschuldigung. Aber das ist die Wahrheit. Die nackte Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr ihm der Teufel helfe. Das wäre ihr bestimmt lieber, wenn der ganze unnötige Ballast aus der Vergangenheit mit einem Mal umfallen würde. Und nicht wieder aufstehen würde. Robacunas. ¡Eres una robacunas!  Sie hat immer gelacht, wenn jemand, oder ich, das gesagt hat. Er auch. Er hat auch immer herzlich mitgelacht, immer in dem festen Glauben, dass ihm so was nie passieren könnte… Nein, du bist dagegen immun, dir passiert so was nicht. Weil du besser bist als all diese ersetzten, sitzengelassenen Exen. Klar!  Sieht man ja!

Wie sich Miguel wohl gefühlt hat, damals. Als er auf einmal – von ihrer Familie – vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Als er bei ihr Zuhause aufgetaucht ist, nach ihr gefragt hat, ihre Mutter, ihren Vater, ihre Schwester. Und sie ihm gesagt haben: Die ist zu ihrer Schwester geflogen. In Europa. Die ist jetzt in Deutschland. Oder haben sie ihm das vielleicht gar nicht so direkt gesagt?! Haben sie ihm vielleicht noch auf perverse Art und Weise Hoffnungen gemacht: „Die ist nur in Urlaub, die kommt bestimmt bald wieder. Die wollte nur mal ihre Schwester in Deutschland besuchen. Mal etwas Neues sehen. Wann hat man dazu schon die Gelegenheit, hier in Ecuador, hier auf dem Land. Du musst das verstehen.“

Und hat er sich vielleicht am Anfang sogar Hoffnungen gemacht, fest geglaubt, dass sie aus dem Urlaub in Europa zurückkommen wird. War er vielleicht sogar stolz auf seine ältere Freundin, die in Europa Urlaub macht. Die einfach so weggeht…

Hat er sich Monate, Jahre später, wo er längst wusste, dass das Ganze kein Urlaub mehr sein konnte, noch Hoffnungen gemacht, dass sie vielleicht irgendwann, vielleicht schon bald ihren Fehler einsehen würde, dass sie schon bald die Sehnsucht packen würde, die Sehnsucht nach ihm, nach Ecuador, nach einem Leben zu zweit. Einem ärmeren, aber vielleicht glücklicheren Leben zu zweit. Er KFZ-Mechaniker, vielleicht mit einer eigenen kleinen Werkstatt und sie Hausfrau und Gelegenheitsarbeiterin von Zuhause. Hat er noch Jahre danach, in den schier undendlichen Weiten der Anden einsam in die Ferne geblickt, immer in der Hoffnung, dass die Liebe doch noch siegt. Dabei war die Liebe längst  tot, wenn es sie überhaupt jemals gegeben hatte. Hat er heimlich geweint, in seiner Verzweiflung sogar manchmal an Selbstmord gedacht. Oder daran selbst wegzugehen. Aber wie sollte sie ihn denn dann finden, wenn sie wiederkäme… Und sie würde irgendwann wiederkommen. Das wusste er. Obwohl ihm seine Mutter und sein Vater in dieser Hinsicht keine Hoffnung machten. Wenn die einmal weg ist, einmal in Europa ist, dann kommt die nicht wieder. Such dir einfach eine Neue! Geh zur nächsten Dorffiesta und lach dir eine Neue an (sein Vater). Du kannst nicht ewig der Nadine nachtrauern (seine Mutter).  Aber er hoffte weiter, bis er schließlich auch eine Neue fand, die Schwester verfluchend, die nach Deutschland gegangen war. Diese Hexe, diese… Esa puta. Seguro se está vendiendo el culo en Alemania.
Und als er schließlich über sie hinweg war und seine neue Frau, die keine Ambitionen hegte ins Ausland zu gehen und gleichaltrig war, da hörte er auf dem Dorf (¡pueblo pequeño, infierno grande! – kleines Dorf, große Hölle!) Gerüchte, dass sie wiedergekommen war. Zuerst ihre Schwester, dann sie. Er hatte schon Lust, da hinzugehen und ihr die Meinung zu geigen. Ihr oder ihrer Schwester. Wem auch immer. Ihr zu sagen, was er von ihr hielt. Aber er musste auch Rücksicht auf seine Frau nehmen. Wenn sie davon erfahren würde…

…und das würde sie, in diesem Dorf, wie würde sie sich dann fühlen?! Wie  die zweite Geige, das dritte Rad am Wagen. Nein, er konnte ihr das nicht antun. Also hielt er die Klappe, saß lediglich abends, nach der Arbeit, noch ein bisschen nachdenklicher als sonst am kargen Küchentisch, während seine Frau ihm von der neuesten Folge der telenovela, von den Tritten des Babys in ihrem Bauch oder von den Fleisch- oder Milchpreisen erzählte. Nichts ahnend. Arglos, was sich in seinem Hirn so abspielte. Wie Nadine bei dir, als du an Conchita dachtest, damals, noch Jahre nach Schottland, immer irgendwie abwesend, immer irgendwie im Gedanken woanders, melancholisch

Während Nadine schon mit Olav beschäftigt. Oder sogar schon mit ihm. Jahre später kam sie mit diesem jungen Deutschen nach Ecuador. Das war auf dem Dorf das Gesprächsthema. Die hatten den gesehen, mit einem T-Shirt mit Haschichblatt drauf. Der sollte noch richtig jung sein, so um die 20 erst. Er wusste es nicht genau, wollte davon auch irgendwie nichts hören. Nur nichts wissen. Keine Details, bitte! Halt einfach die Klappe, ja?!

Der war jung, wie er. Und sah gut aus. Angeblich. Das hatten die Schneiderinnen seiner Mutter gesagt. Und die hatte es seinem Bruder erzählt. Und der ihm. Ein Deutscher. Was für ein Arschloch! Ein Nazi! Die war mit einem Nazi zusammen, schlief mit dem, hier in Ecuador! Vor der Hochzeit! Geschieht ihr recht!

Oh, Miguel, wenn wir uns damals begegnet wären, als ich in Ecuador war, oder noch besser heutzutage, wir hätten viel zu besprechen. Aber leider weiß ich deinen Nachnamen nicht und Miguel ist ein Allerweltsname. Wenn du da wärst, in ihrem Dorf, dann würdest du ihn bestimmt finden. Aber noch mal kriegen dich da keine zehn Pferde hin. Noch mal reist du ihrer Spur der Vernichtung nicht nach, dafür brauchst du diesmal auch keinen Vater, der dir davon dringend abrät. Du bist weiß Gott nicht mehr der kleine, naive, verschüchterte 19-jährige Junge, der du damals warst.

Wir hätten bestimmt viel zu besprechen…






Sonntag, 12. Juni 2016

Good old days?



10.06.16






Heute muss er nach D, wo sie früher gewohnt haben. Er will nicht, aber er muss. Wat muss, dat muss!  Allein in diesem Stadtteil verbergen sich so viele Erinnerungen, so viele Augenblicke, die, wenn schon nicht glücklich, dann doch wenigstens zufrieden waren. Oder waren sie noch nicht mal das? Er weiß es nicht, er weiß eigentlich gar nichts mehr. Nur, dass es wehtut. Nach allem, was sie ihm angetan hat, was er ihr angetan hat, was sie sich gegenseitig angetan haben…
...tut es immer noch weh. Immer noch, nach all dieser Zeit, denkt er, als er an Gleis 5 auf die Regionalbahn nach D wartet.

Wie kann man eigentlich so dumm sein?, fragt er sich immer wieder, obwohl er weiß, dass er nichts dagegen tun kann. Obwohl der Ratgeber sagt, dass man selbst seine Gefühle kontrollieren kann…wenn man nur will. Will er? Und überhaupt: Nicht nur der eine, sondern viele Ratgeber behaupten, dass, selbst wenn man seine Gefühle kontrolliert, diese unbewusst irgendwann eh wieder zurückkommen. Ist man also im Endeffekt doch machtlos gegen seine Gefühle? Und wollen diese nur das Beste oder sind sie ein Ausdruck des Wiederholungszwangs oder gar des Todestriebs? Wollen einen in den Tod treiben? Nach dem Motto: Ich denke, also bin ich nicht.

Wie dem auch sei, jetzt muss er eine Sekunde mal Abstand von der Dauerbeschallung durch seine mehr oder minder trüben Gedankengänge nehmen, denn da kommt auch schon sein Zug. Im Zug geht es dann wieder weiter, keine Angst! Auch Santi Balmes von Love of Lesbian (nein, das ist kein Porno, sondern eine spanische Rock-/Pop-/Indie-Band aus Barcelona, deren Lieder so schön traurig sind…), der auf seinem Handy läuft, hat damit so seine Probleme, seine Gefühle zu unterdrücken, singt und haucht und jammert Los días no vividos in sein Ohr. Wie erbaulich! Die nicht gelebten Tage. Oder sollten wir doch besser sagen: seine Gefühle zu kontrollieren?

Da ist der rote, noch relativ neue Zug, der ihn nach D bringen wird. Ob er nun will oder nicht. In nur acht Minuten. Der Zug, der schon jetzt um halb zwölf viel zu heiß ist. Das lernen die nie in Deutschland. In Spanien würde es wahrscheinlich eine Revolution geben, wenn die Busse und Züge ohne Klimaanlage fahren würden, aber hier… Hier herrscht der Merkelsche Sparzwang! In Spanien gäbe es sowas nicht. Im Sommer ohne Klimaanlage. Er schwitzt schon jetzt, wischt sich schon jetzt einzelne, immer größer werdende Schweißperlen von der Stirn. Un dabei hat er den Zug gerade erst betreten! Unglaublich! Die Schwüle drückt ihm aufs ohnehin schon genug geschundene Gemüt. Zu allem Überfluss hat er auch noch ein langärmeliges Hemd an. Denn das kurzärmelige – immer noch sein einziges kurzärmeliges Hemd! – stank heute Morgen wirklich zu stark nach Schweiß, um es auch nur einen Tag länger anzuziehen. Heute Morgen, wo er sich mit dem Rasierer seiner Tochter rasieren musste, da er sich immer noch keine neuen Klingen gekauft hat (die sind aber auch so scheißteuer!) und die alten schon so oft über sein Gesicht geschleift hat, dass sie gar nichts mehr rasieren. Scheiße: Was rasiert die sich eigentlich mit diesen zweiklingigen Wegwerfteilen…? Hoffentlich nicht… Bah! Bestimmt nur die Beine. Auf jeden Fall hat sie ihm strikt verboten, ihre Rasierer zu benutzen, hat aber vergessen, sie vorsichtshalber aus dem Bad zu entfernen. Vielleicht merkt sie es ja nicht… Außerdem war sein Klo heute Morgen wieder verstopft. Weil er wieder zu viel Papier benutzt hat? Aber was soll er denn auch machen. Mit einem „dreckigen“ Arsch rumlaufen?! Wie machen das eigentlich andere? Die Sparsamen? Die Merkel? Die benutzt bestimmt beiden Seiten. Oder jede Lage einzeln von beiden Seiten. Sein Klo ist verstopft, seine viel zu kleine Wohnung sieht aus wie Hund und er fragt sich ein ums andere Mal: Ist das das Leben, das du willst? Ist das wirklich das Leben, das du für dich so willst? Das beste aller Leben? (Diese MINDFUCK-Ratgeber fucken einen aber auch echt ab. Danach brauch man dann echt einen MINDFUCK-Kurs, um sich wieder zu entfucken!). Das ist dein Leben, dein Leben im Wirtschaftswunderland Deutschland. Und der viel zu heiße Zug steht jetzt auch noch erst 20 Minuten hier herum, bis er losfährt. Nach D, wo du nicht hinwillst. In D, wo du nicht sein willst. Hey, meinst du jetzt Deutschland oder D? Oh, was wir doch alle für einen Spaß haben, hier in Mitteleuropa, wie die Südländer aus Spanien und Italien sagen. Das ist schon fast unheimlich, so viel Spaß, wie wir hier haben. Unheimlich viel Spaß, sozusagen. In der deutschen Spaß- und Spießgesellschaft. So viel Spaß, das geht auf keine Kuhhaut!

Alzo el vaso más vacío que yo…, singt Santi Balmes in dein Ohr. Ich erhebe das Glas, das leerer ist als ich… In diesem Lied, wo du zuerst dachtest, dass sich das auf eine Trennung bezieht, weil in dem Video ein Typ seine Frau/Freundin anruft und ihr sagt, dass er nicht zurückkommt, dass er nicht mit ihr zu ihren Eltern mitkommt. Bis du gemerkt hast, dass das Video aus einem spanischen Weltuntergangsfilm ist. Wo irgendwelche Sonnenwinde die Erde vernichten werden und die Leute nur noch wenige Tage zu leben haben, bis die Winde auf die Erde treffen. Und dies wissen. Und du dachtest, der Typ springt am Ende vom Balkon, weil er die Trennung von seiner Frau/Freundin doch nicht so gut verkraftet hat, wie er vorgibt. Wie man sich doch täuschen kann. Am Ende ging es gar nicht so sehr um eine Trennung, sondern um den Weltuntergang

(aber ist das nicht irgendwie das Gleiche)

(für dich vielleicht)

„Wenn wir noch ein Kind gehabt hätten…“, so durch Zufall oder eine Fügung des Schicksals – genau wie beim Ersten – „…und es ein Junge gewesen wäre…dann hätten wir ihn Santiago genannt.“ Santi in der Kurzform!

Stattdessen erhebe ich heute das Glas, das leerer ist als ich

Santi, du bist der Beste. Obwohl du nie sein durftest. Nie sein wirst

Der Zug steht immer noch und er wartet immer noch. Dreht sich in einer Denkschleife nach der anderen immer um sich selbst herum. Wie narzisstisch, würde der Ratgeber sagen. Recht hat er, aber was soll er denn machen?! Achtung, MINDFUCK! Natürlich gibt es etwas, das er machen kann. Es gibt immer etwas, das man machen kann. Seine Gedanken kontrollieren, zum Beispiel.

Aber war nicht der Narzisst jemand, der keinen Zugang zu seinen Gefühlen hat?! So wie seine Frau? 

Ach, Scheiße, das ist alles viel zu kompliziert, dafür ist er einfach nicht gemacht, für so hochpsychologische Themen. Denkschleifen hin oder her. Er ist eher der simpel gestrickte Typ. Der Normalo…

Line’em up and shoot’em down

In 20 Minuten wird er in D sein (es graust ihm jetzt schon davor…und gleichzeitig genießt er, wie ein echter Masochist, insgeheim die Melancholie, den Schwermut). In 20 Minuten wird er an dem kleinen, aber modernen Bahnhof am Rande von D ankommen, wo er so oft mit ihr war. Mit ihr, seiner Nemesis. Der Bahnhof, wo sie so oft auf ihn gewartet hat, mit ihm mitgekommen ist, von Zuhause bis zum Bahnhof. Den ganzen Weg.

Den ganzen Weg umsonst

Er muss sie überreden, überhaupt mitzukommen, immer musste er sie überreden. Immer musste er sie überreden.

Er wird an dem Parkplatz hinter dem Lidl vorbeigehen, wo sie zusammen eingeparkt haben, kurz nachdem sie den Führerschein gemacht hat. Er hat ihr immer geholfen, bei der Theorie. Hat sie motiviert weiterzumachen, wenn sie mal nicht mehr wollte, weil ihr die deutschen Fragen zu sehr zusetzten. Zu viele Fragen noch unbeantwortet blieben. Es bleiben immer zu viele Fragen unbeantwortet. Und was hat er jetzt davon, von seiner Hilfe. Eisiges Schweigen. Kalt und still wie ein Grab in der Nacht. Bei Vollmond. Dreimal ums Haus gehen, ein Foto verbrennen und dann den Liebesschwur aufsagen. Oder die Verwünschung. Die schwarze Magie deiner schwarzen Seele.

Er ist jetzt egal. Völlig egal. Er ist ein weiteres weggeworfenes Objekt. Dreck. Wer kümmert sich schon um Dreck?! Dreck muss weg!

An dem Lidl vorbei, wo sie früher immer eingekauft haben. Wo sie noch in D lebten und nicht oben auf dem Berg in F. Wo ein eigener Lidl war. Mit María zusammen eingekauft haben. Das war immer irgendwie schön, mit ihr einkaufen zu gehen. Das war ein richtiger Höhepunkt seines (und ihres?) Tages, das gemeinsame Einkaufen. Wenn das Einkaufen bei Lidl schon zu einem gemeinsamen Höhepunkt wird, dann wird es aber echt langsam Zeit für die Scheidung!

Bald, bald! Patience. Caution, wie José Mota, dieser spanische Komiker immer sagt und das Wort wie das deutsche Wort „Kaution“ ausspricht. Beware of the worst kind of animal: the angry ex! The furious ex! The ex-husband. Ex-motherfucker.

Ne, im Ernst, die ist schon eingereicht, die Scheidung. Von ihr! Er hat schon den Brief vom Amtsgericht bekommen. Komplett mit „Justiz-NRW-Stempel“. So als wäre er kriminell. Weil er die Frau geheiratet hat, die er liebte (irgendwie doch schon, zumindest damals), damit sie wieder mit ihm zurück nach Deutschland kommen konnte. Nachdem sie zweimal ausgewiesen worden war. Von der Polizei erwischt worden war. Der NRW-Justiz! Illegaler Aufenthalt in Deutschland. Kein Mensch ist illegal. Doch, verlassene Ehemänner schon, wenn sie den Brief vom Amtsgericht erhalten. Selber schuld, würde sein Vater jetzt sagen. Nicht erst jetzt, das hat er damals schon gesagt. Und nicht nur einmal. Fragen Sie nicht nach Sonnenschein…in seinem Leben.

Und genau in diesem Moment, diesem Augenblick, singt Santi Balmes von Love of Lesbian: Sé que eres falsa. Ich weiß, dass du falsch bist. Aber war sie wirklich „falsch“ oder ein „falscher Fuffziger“, wie sein Vater das so unnachahmlich ausgedrückt hat?

„Ich wusste das schon immer, dass die ein falscher Fuffziger war…“

Aber selbst wenn, das macht den Verlust auch nicht weniger schmerzhaft. Und davon abgesehen: Wieso hat denn dein Vater das so schnell gemerkt und du nicht. Nicht etwa, weil er selber etwas Falsches an sich hatte, das ihn Nadines angebliche Falschheit hat perfekt hat durchschauen lassen?!

Raus aus der schwül-schwulen Bahn in die Sonne. Heute scheint tatsächlich die Sonne scheint, der Himmel ist blau und es ist angenehm warm. Es ist ein schöner Tag. Die scheiß-verfickte Sonne scheint und der scheiß-verfickte Himmel ist blau und es ist scheiß-verfickt-und-zugenäht-nochmal angenehm warm. Was für eine Fickscheiße! Es weht ein leichter Wind. Ein beschissener leichter Wind. Der dein verdammt noch mal verfickt heißes Gemüt nicht zu kühlen vermag, der dir keine Luft zum Atmen verschafft. Wenigstens zum Durchatmen

Ach, leckt mich doch am Arsch! Leckt mich doch an meinem fetten, haarigen Arsch!

Heute fängt die EM an. Geil, ne?!

Heute ist das Eröffnungsspiel. Es spielen scheiß-verfickte, französische Knollennasen gegen scheiß-verfickte rumänische Draculas.

Wie oft sind sie hier zusammen langgegangen. Über den Parkplatz, an der Sparkasse vorbei, über die Straße beim Toom. Zum Bäcker, zum Arzt, zum

ins Nichts

Zum Lottospielen. Wie an dem Tag, an dem du ihr geholfen hast, ihren kleinen Auffahrunfall zu klären. Wo du gewonnen hattest. Nichts Besonderes, nur so 20 Euro. Aber immerhin. Keine zwei Monate später war sie weg

Du bist nach Ecuador geflogen, ihr nachgeflogen, und keine 19 Jahre später war sie weg.

„Da müssen ja auch gute Jahre dabei gewesen sein…“, sagt deine Anwältin.

„Das macht man ja auch nicht. Man rennt ja keiner Frau hinterher!“ sagt dein Vater.

Das wär ja noch schöner.

Sie ist weg und hat diese menschliche Hülle hinterlassen, die nur darauf wartet, genauso kalt wie sie zu werden.

Die Tiefgarage vom Toom, wo damals die Mutter von Rani, Marías Freundin mit dir hingefahren ist. Das war auch so ein Kaliber

Die Treppe hoch, zum Arzt rein (die Tür ist auf, du musst also nicht den verseuchten, weißen Plastikknauf anpacken)…wo du sie hinbegleitet hast, als sie ihren Unfall mit dem Roller hatte. Als ihr jemand mit voller Wucht hinten draufgefahren ist, mitten am Tag, bei bestem Wetter. Aber mit Dankbarkeit ist es wie Mario Puzo das sagt: Die Leute sind nur dankbar für das, was du in der Zukunft für sie tun wirst!

Jetzt begleitet sie ihre Familie, oder sie begleitet ihre Familie, ihren Schwager, ihre Schwester, die von Spanien gekommen sind, um deine Ehe wegzublasen. Und der Wolf blies und blies, pustete und pustete, und da war die Ehe weg. Blut ist eben dicker als Ehe. Als Familie. Unsere kleine Familie hatte keine Chance gegen ihre Großfamilie, war zu schwach. So wie du!

Du bist es immer noch, sonst wärst du nicht so am jammern.

Und wieder kommt dir Mario Puzo in den Sinn, der New Yorker Mafia-Autor, besser bekannt für Den Paten.

Wie sagt das der Typ aus Omertà nochmal? Ich lass mir von keiner Frau mein Leben zerstören. Keine Frau kommt zwischen mich und mein Schicksal. Das sagt er kurz bevor er dem Liebhaber seiner Frau, die Eier und den Penis abschneidet und ihn tot und nackt auf ein Pferd setzt, so dass ihn das ganze Dorf und seine Frau und Geliebte sehen kann. Aber wir sind hier nicht in Sizilien.

„Wann kommen Sie mal zur Blutabnahme?“ sagt die Arzthelferin, die sich die Frisur verändert hat. Jetzt hat sie Schamhaare auf dem Kopf, früher hatte sie…ach, keine Ahnung. Das sagt sie immer, das mit dem Blut… Jedes Mal. Und ich antworte immer das Gleiche. Das ist so eine kleine Farce zwischen uns, so eine kleine Alltagsfarce, die unser Leben weder interessanter macht noch in irgendeiner Weise weiterbringt.

Ich, zur Blutabnahme? denkt er. Wie wär’s mit…nie?! Überhaupt nicht!

„Können Sie nächste Woche?“

„Nächste Woche geht nicht…“ Vermeidung ist meine größte Stärke. Oder Schwäche?

„Oder in zwei Wochen…“

Bestimmt.

„Egal…“

Mir auch egal. Denn ich komme eh nicht, Schatzi. Da kannst du deinen ********* Arsch drauf verwetten.

„Im Moment ist Chaos, also nächste Woche geht auf keinen Fall…“ Das ist noch nicht mal eine Lüge. Nur eine kleine, eine klitzekleine Vermeidung. Eigentlich ganz harmlos. Auch wenn Ihnen einschlägige Psycho-Ratgeber etwas anderes erzählen wollen… Die tritt meist zusammen mit einer Projektion auf. Lass du dir doch Blut abnehmen, du ********.

Außerdem wollt ihr doch eh nur die Befriedigung, dass irgendetwas mit mir nicht stimmt. Wie damals im Krankenhaus. Scheiß-freundlich, die Schwestern, als sie endlich wussten, dass etwas mit deinem Herzen nicht stimmte. Alles Sadisten

Ja, mit meinem Herzen stimmt echt was nicht

Ich war schon locker vier Jahre nicht mehr bei der Blutabnahme, denkt er. Und wissen sie was: Ich lebe immer noch! Gerade so und fast komplett ohne Lebensqualität, aber ich lebe noch

Auch wenn mir meine Ex fast tagtäglich den Tod an den Hals wünscht. Dreimal ums Haus geht…nicht nur bei Vollmond, sondern jeden einzelnen Tag…mein Foto verbrennt…und eine Voodoo-Puppe von mir angefertigt hat, der sie jeden Tag voller Inbrunst Nadeln in die Eier sticht.

Und mir geht es immer noch gut. Okay, nicht gerade gut, aber          Okay, nicht gerade emotional, aber          Okay, nicht gerade körperlich, aber

Ach, leckt mich doch am Arsch! An meinem viel zu fetten, übergewichtigen Arsch!

„Ne, danke, das machen wir nicht, das machen wir hier nicht, wir wollen nur sehen, ob ihre Blutwerte in Ordnung sind.“

„Meine-Noch-Noch-Frau hat mir schon genug Blut abgesaugt in den letzten Jahren. Und selbst jetzt lange nach der Trennung entzieht sie mir noch immer meinen wertvollen Lebenssaft. Anstatt mir die Eier auszusaugen…“

Und dann höre ich auch noch Stimmen! Ich höre wie Petra Bock, die Autorin von MINDFUCK: Warum wir uns selbst sabotieren und was wir dagegen tun können, zu mir sagt. Befinden wir uns wieder mal im Kind-Ich?!

Ja, Frau Bock, da haben Sie leider Recht. Aber bitte im Kleinkind-Ich. So 1-4 Jahre. Und sie? Sind Sie fest im Erwachsenen-Ich verankert oder spricht gerade das Eltern-Ich zu mir…?!“

Aber wenigstens ist EM. Sagte ich das schon? Die Spitzenköche mit den Knollennasen (und im Umkehrschluss auch Knollenpenissen) spielen gegen die Knoblauchverächter. Das Multi-Kulti-Migrations-Team spielt gegen die Verteidiger Europas, die letzte Bastion vor dem osmanischen Reich. Vlad Tepes gegen die Mauren- und Nubierkrieger. Er drückt natürlich den Rumänen die Daumen, obwohl er die rumänischen Prostituierten von nebenan nicht gerne auf der Arbeit sieht…bis vielleicht auf die eine, die kleine, die aussieht, als wär sie noch nicht mal 18, geschweige denn 21. Mit dieser rosafarbenen Unterhose und diesen leicht fettigen, leicht verfilzten langen braunen Locken…






Donnerstag, 9. Juni 2016

Traumdeutung (Folge 2398)









Wir sind in einem Hotel, nicht in Deutschland. Wir sind wieder zusammen. María ist dabei, sie ist aber noch klein, wieder klein.

Wir sind in einem Zimmer (ohne María) und sie ist auf einmal nackt, sitzt da. Ich dringe in sie ein (obwohl das in dieser Position, so wie sie da sitzt, äußerst schwierig wäre). Doch als ich ihn wieder rausziehe, ist er voller Blut. Nicht nur die Eichel, sondern alles, der ganze Schaft. Dunkles, fast schwarzes Blut.

„Ich habe meine Tage.“

„Egal. Mir doch egal.“

Ich male mit meinem Penis schwarze Striche, wie ein Bild



An den Rest erinnere ich mich beim besten Willen (und meiner ist nicht der beste) nicht mehr. Träume verfliegen so schnell. Und dann sind sie für immer weg

Ich hätte ihn direkt aufschreiben sollen, nachdem ich ihn hatte, direkt nach dem Aufwachen. Aber ich war zu faul.






Nächster Traum: Altraeume und Spinnen am Morgen
Vorheriger Traum: Traumdeutung: Ya es tarde