Nach dem Aldi-Besuch, dem – wie er zu
ihr sagt – Höhepunkt seiner Woche, stehen sie an der Haltestelle und er sagt: „Guck
mal da…“ Er deutet auf den halb zerfledderten Aushang mit der vermissten Katze,
die einem auf dem Foto direkt in die Seele zu gucken scheint…
…was sie da wohl sieht...
„Ich vermisse auch eine Katze. Meine
Katze. Ich vermisse meine Katze auch.“
Jetzt ist es raus.
Aber du weißt noch nicht mal, ob sie
dich überhaupt gehört hat oder ob sie selbst gerade in ihrer eigenen Welt ist,
abgelenkt von ihrer afrikanischen Musik, die sie in letzter Zeit immer hört
die sie daran erinnert, dass es noch
mehr gibt als dieses Deutschland
Im Bus, plötzlich, willst du sie fragen. Während sich der Bus seinen Weg durch die eisige Nacht bahnt wie ein
Eisbrecher, ein russischer Eisbrecher, einsam und allein. Immer weiter rein ins
„Katzenloch“. (So heißt das wirklich, das gibt es wirklich in Bonn – genauso,
wie es mich nicht gibt. Nicht mehr gibt, schon lange nicht mehr) Was wohl hier
vor hunderten von Jahren passiert ist, dass die das so genannt haben?
Du hast sogar schon fast deine
Ohrstöpsel aus den Ohren genommen, um diese Frage wirklich zu stellen. Bist du
bekloppt?! Hast du sie noch alle?! Diese Frage, die dir durch den Kopf
geistert. Schon seit langem. Nicht erst seit gestern.
„Warum bist du eigentlich noch hier?“
„Warum?“
„Ich versteh es nicht…“
„Warum bist du eigentlich noch hier…?“
Das ist nicht die richtige Frage für deine
siebzehnjährige, bald schon erwachsene Tochter. Trotzdem nicht
Das hat damit nichts zu tun
„…wenn ich doch so Kacke bin, dass mich
niemand mehr lieben kann…
…lieben will…
…dass mich deine Mutter nicht mehr
liebt, nicht mehr lieben kann…
…warum bist du dann noch hier…??“
weil du noch was für deinen Vater
empfindest…
…was weiß ich warum…
Warum sind wir alle überhaupt noch hier…auf
diesem kalten Planeten in diesem kalten Universum?“
Er steckt den Ohrstöpsel wieder rein. Die
kannst du dir doch wirklich selbst beantworten…wenn du ein bisschen darüber
nachdenkst…
…aber es darf nicht sein…
…es darf niemanden auf dieser Erde, auf
diesem kalten, traurigen Planeten geben, der dich noch liebt. Niemanden
Du hast
Bist du bekloppt. Du guckst sie an, wie
sie da sitzt, mit ihrer schwarzen Mütze, mit deiner schwarzen Mütze. So jung.
So unverbraucht. So unkaputt. Unkaputtbar. Ihr brauner Teint, ihre kleine Nase,
ihre großen Augen
Ich will sie fragen, aber was sollte sie
darauf schon antworten.
Einen Vater, der mehr hier als da ist.
Der mit mindestens einem Bein schon im Jenseits steht. Vielleicht schon immer
stand. Sein ganzes Leben lang.
Obwohl er sich niemals trauen würde…
Obwohl er immer noch denkt, dass dieses
Leben, dieses Scheiß-Leben, das einzige ist, das wir haben.