Im Aldi sehe ich sie, bei den
Weihnachtssachen. Bei den Weihnachtsgeschenken.
Und direkt wirft es mich zurück. Nach
damals, wo ich die Dartscheibe, die sie mir zu irgendeiner Gelegenheit – ich
glaube zu Weihnachten, war es unser letztes Weihnachten? – geschenkt hat und die ich aus Wut
zerschmettert habe. Obwohl ich die Pfeile bis heute habe. bis heute aufbewahre wie einen Schatz.
Wo ich die Dartscheibe im Keller gegen die Steinwand gehauen habe, bis sie ganz verbogen war. Bis sie kaputt war.
Wo ich die Dartscheibe im Keller gegen die Steinwand gehauen habe, bis sie ganz verbogen war. Bis sie kaputt war.
Früher als Kind hatte ich bei sowas
immer Mitleid. Das hat mich immer traurig gemacht. Ich hatte immer Mitleid mit
den Leuten, die sich Mühe gegeben haben, um die Sachen herzustellen, die andere
einfach kaputtgemacht, einfach so weggeworfen haben. Ich hatte sogar Mitleid
mit den Leuten, wenn jemand nur sagte, dass dies oder das Scheiße sei. Dann
dachte ich immer an die armen Leute, die das hergestellt hatten und die
bestimmt nicht wollten, dass man ihre Sachen als Scheiße bezeichnete. Einfach
so
Das tat mir immer Leid.
Wir haben immer nur Mitleid mit uns
selbst
Es ist wichtig, dass man sich selbst
bemitleidet
Da sind sie, haben sie sie. Die Dartscheiben,
die Nadine mir damals geschenkt hat. Die ich vor María gegen die Wand gehauen
hab. Immer wieder, bis sie kaputt war. In blinder, ohnmächtiger, kalkulierter
Wut. Genau wie die Weihnachtskugeln. Die Weihnachtsbaumkugeln. Die ich eine
nach der anderen kaputtgehauen hab. Als ich ausgezogen bin. Im Keller. Vor
María, für den Effekt
(ich hätte sie auch so kaputtgehauen
oder einfach weggeschmissen)
Da sind die Dartscheiben aus Plastik. Die
sie mir geschenkt hat, damals. Aus Liebe
Oder einfach so. Lieblos
Nur um etwas zu schenken
Keine Ahnung. Ich weiß es nicht. Und ich
werde es nie erfahren. Vielleicht war es ja eine Mischung aus beidem. Lieblose
Liebe. Liebevolle Lieblosigkeit.
War es Liebe
Oder nur irgendeinen Scheiß. Ein Geschenk,
nur um ein Geschenk zu haben. Ein Pflichtgeschenk zu Weihnachten. Ich habe nie
auf der Scheibe gespielt
Haben wir die ganze Zeit nur aneinander
vorbei gelebt
Auf jeden Fall flasht mich das voll. Die
Dartscheiben. Die ganzen Dartscheiben. Die darauf warten, gekauft zu werden,
verschenkt zu werden zu Weihnachten an zukünftige Ex-Ehemänner, die
nicht auf ihnen spielen und sie dann irgendwann gegen die Kellerwand hauen, bis
sie kaputt sind
(wer? Die Ehemänner oder die Scheiben?)
Kaum habe ich sie gesehen, fühle ich
mich so
so
kaputt
kaputt
ich sage gar nichts mehr. Lege wie
benommen die Sachen in den Einkaufswagen. Will eigentlich heulen, nur
losheulen, mitten im Supermarkt, wenn die Tränen doch kommen würden wie diese spanische Ehefrau
und Mutter in Amor, curiosidad, prozac y dudas (Liebe,
Neugier, Prozac und Zweifel). Die einfach so in der Schlange im Supermarkt
anfängt zu heulen
Weil sie eine depresión de caballo, eine „Depression wie ein Pferd“ hat
Ich bin wie vor den Kopf gestoßen
Draußen, an der Haltestelle hat jemand
ein Bild von einer Katze aufgehängt. In Plastikfolie. VERMISST. Aber
irgendjemand hat versucht, die Folie abzureißen, wegzureißen, so dass man die
Katze kaum noch sieht, so dass die Folie unten ganz zerfleddert ist, die
Telefonnummer kaum noch zu sehen ist
wenn jetzt jemand die Katze findet
VERMISST
VERMISST
Ich vermisse auch etwas, hänge mich aber
nicht an der Haltestelle auf
im kalten Novemberregen
in
the cold November rain…
…nothing
lasts forever…
Eine goldbraun getigerte Katze. Mit
Katzenaugen, die mich durch den Regen und die kaputte Plastikfolie angucken als könnte sie die Wahrheit sehen
ihr lilafarbenes Garfield-T-Shirt, das wir
damals in Spanien gekauft haben
VERMISST
Die kommt bestimmt nicht mehr zurück
die Katze
Die kommt bestimmt nicht mehr zurück
die Katze