Samstag, 7. Januar 2017

Herzen im Gleichklang












Er weiß noch, wie sie damals einmal bei Nadine miteinander geschlafen haben. Das muss so ziemlich gegen Anfang ihrer Beziehung gewesen sein, als Nadine und ihre zwei Schwestern noch in der Alfonsstraße in Bonn wohnten, am Anfang der Alfonsstraße fast gegenüber der Polizei. In der Küche, hinter diesem Schrank. Da hatte ihre Schwester ihre Matratze. Die wohnten da zu dritt, in dieser kleinen Wohnung und die hatte noch nicht mal ein richtiges Bett, damals.

Warum ist ihm das eigentlich nie aufgefallen?


(ich kann mir schon vorstellen, warum)

Auf jeden Fall, waren sie irgendwie da gelandet. Auf dieser Matratze. Ihre Schwester war nicht da (keine Ahnung, wo die war, ob die in Ecuador war oder im Gefängnis, weil sie von der Polizei erwischt worden war, keine Ahnung, das ist schon so lange her). Ist jetzt aber auch nicht wichtig. Fast ebenso unwichtig ist die Tatsache, dass ihn das irgendwie anturnte, dass das die Matratze ihrer Schwester war. Das Wichtige ist etwas anderes. Sie waren nackt und er lag auf ihr – ich glaube, das war noch so halb im Winter. Und er drang nicht direkt in sie ein oder war schon in sie eingedrungen, keine Ahnung, auf jeden Fall, spielte er mit seinem Penis am Eingang ihrer Scheide herum, ohne wirklich in sie einzudringen, berührte sie nur leicht (die heutige Facebook-Generation würde sagen, er stupste sie an, haha), sanft, bis er nicht mehr konnte. In sie eindrang und innerhalb von einer Minute fertig war. Der schnellste Sex aller Zeiten. War es die Matratze? Nein, aber das ist auch nicht das Wichtigste. Denn er tat noch was, wie er so auf ihr lag, hinterher oder vorher oder währenddessen oder wann auch immer. Wie er so da lag. Er versuchte, während er mit seinem Oberkörper ihre Brust berührte und ihren Herzschlag spürte, mit seinem Körper, während sie so da lagen und er ihren Herzschlag mit jeder Faser seines Körpers spürte, versuchte er die beiden Herzen, seines und ihres, ihres und seines, in Einklang zu bringen. So dass sie im Gleichklang schlugen. Er versuchte dem Takt ihres Herzens, das anders schlug als seins, mit seinem Herzen zu folgen. Und teilweise schaffte er es tatsächlich. Er war ja noch jung. Und naiv. Er spürte ihren Herzschlag unter seiner wie immer leicht schwitzenden Brust und folgte ihm



Heute sind es noch genau 12 Tage bis zum Scheidungstermin. Der Countdown läuft und er fragt sich, ob er es jemals wirklich geschafft hat, ihre beiden Herzen im Gleichklang schlagen zu lassen oder ob das alles nur eine Illusion war










Freitag, 6. Januar 2017

Druck











Michael, der Bekannte von Lars, hat heute Druck. Wenn Sie wissen, was ich meine… Klingt zwar ein bisschen Scheiße, wenn man das so sagt, ist aber leider nun mal eine Tatsache. Und da er noch eine halbe Stunde hat, bevor er auf die Arbeit geht, guckt er sich noch ein paar einschlägige Filmchen an. Auf Twitter. Nicht, weil die da besonders gut wären, sondern weil er seit den Meldungen letztes Jahr ein bisschen Respekt vor „echten“ Pornoseiten hat. Nicht, dass die ihm das dann in Rechnung stellen. Und obwohl es in seinem Leben keinen mehr gibt, der das mitbekommen könnte, hat er keinen Bock auf irgendwelche Rechnungen. Weil er auch so schon nicht so viel Geld hat. Also guckt er sich die Filmchen auf Twitter an, wo sie meistens nur rund 30 Sekunden lang sind. Und nicht gerade befriedigend. Eben nur kleine Appetithäppchen, die den einsamen Wichser auf „echte“ Pornoseiten locken sollen. Zusammenfassungen: 3 Sekunden Ausziehen und Anturnen, 8 Sekunden Blasen und Schlucken und 13 Sekunden Penetration in 5 Stellungen und zum Abschluss 6 Sekunden  Kommen und Spermaschlucken.

Und genauso interessant ist das dann auch. Aber wenn man Druck hat…

…in der Not guckt der Teufel Pornos…

Zuerst sexy Teenagers (die sind natürlich alle schon lange jenseits der 20, also streng genommen gar keine Teenager mehr, aber egal)…wie die den schwarzen Schwanz in den Mund nimmt…wie der Mandingo die beiden nimmt…wie…

…aber irgendwie ist das langweilig…

Also kommt ihm eine Idee. Er könnte ja mal. Sieht ja keiner. Weiß ja keiner. Ist eh ein Fake-Account. Er könnte ja mal…

…„Gay Porn" eintippen. Nur so interessehalber. Und außerdem hat er nach dem Schwarzen irgendwie Bock auf Schwänze. Nicht dass er schwul wäre, aber…einfach mal sehen…nur mal gucken, Mann…kann ja nicht schaden…

…gesagt, getan…

…und schon erscheint das Angebot vor ihm auf dem Bildschirm…

…ist auch keine kleine Auswahl…

Am Ende entscheidet er sich für so ein Video-Konto. Und schon geht’s los. Bei Twitter haben die – wie erwähnt – keine große Zeit zur Persönlichkeitsentblößung. Schon haut dieser Typ dem anderen das Ding hinten rein. Gesichter sind in dieser Nahaufnahme natürlich nicht zu sehen. Vielleicht auch absichtlich nicht. Sieht irgendwie aus wie bei den Frauen. Ein Loch, ein Schwanz. Nur dass weibliche Arschlöcher (fast schon ein Widerspruch an sich) zarter aussehen…

Und schon ist das Video zu Ende. Also guckt er sich auch noch das nächste an. Wo eine Gruppe gelangweilter junger Männer mit Tattoos an den ulkigsten Stellen (Oberschenkel etc.) sich gegenseitig auf einem Sofa befriedigt. Das heißt, der eine bläst dem anderen einen, während der dritte daneben sitzt und an lustlos seinem halb schlaffen Glied rumspielt.

Aber es wirkt trotzdem: Denn plötzlich hat er keinen Druck mehr, schämt sich ein bisschen und geht dann auf Toilette. Abwischen und runterspülen.


Das ist wie letztens bei dem Kunden von ihm. Im Internetcafé, in dem er nebenher jobbt. Der ältere Mann. Der für sein wahres Alter (über 70!) sogar noch relativ jung aussieht. Letztens war der da, setzte sich an einen der Computer in der Ecke und…auf einmal war er dann wieder weg. Ohne tschüs zu sagen. Und als er dann später an den Computer ging, merkte er, dass der Bildschirm nicht anging, als er eine Taste drückte. Oh, Scheiße, dachte er zuerst. Nicht schon wieder ein Computer, der kaputt ist. Aber dann musste er feststellen, dass der Computer gar nicht aus war, sondern nur der Bildschirm.  Also machte er den Bildschirm wieder an und es kamen ihm jede Menge Bilder und Videos entgegen von jungen und alten Lesben (ja, ich glaube, das was es). Und auch älteren Herren, die sich mit einer blutjungen und einer mittelaltrigen Lesbe vergnügten. Geil, dachte er. Das guckt der also. Jetzt weiß ich auch, warum der in der Ecke sitzt! Kein Wunder! Solange es nichts Verbotenes ist…

…jedem Tierchen sein Pläsierchen…

…leben und leben lassen…






Dienstag, 3. Januar 2017

Carjacked - Jeder hat seine Grenzen



Mehr als ein Film-Review








Nachts kannst du nicht schlafen. Hast zu viel Kaffee und Cola getrunken. Viel zu viel Kaffee und Cola. Bist irgendwie dumpf wütend, dumpf depressiv. Und guckst Fernsehen. Bis tief in die Nacht…

Und dann läuft da dieser Film. Mit dieser Frau. Die für ihren Sohn nur schnell mal Mini-Pizzen kaufen will. Und dabei von einem flüchtigen Bankräuber entführt wird. Ihn zu seinem Komplizen fahren soll. Stundenlang. Mehrere Hundert Meilen weit.

Irgendwann hat die Frau keinen Bock mehr, die Füße still zu halten. Weil sie von dem Typen an ihre Grenzen gebracht wird. Und weil ihr Ex ihr nicht hilft. Weil sie den Jungen allein, ohne irgendwelche Hilfe, erziehen muss und kein Geld mehr hat.

Und du fragst dich: Wo sind deine Grenzen? Wann fängst du an, dich zu wehren? Deine Rechte, deine Werte zu verteidigen? Wo ist der Punkt, an dem du brichst? An dem es aus dir rausbricht? All die Scheiße? All die Ungerechtigkeit? Wie du behandelt wurdest? Noch immer behandelt wirst? Wann kommt dieser Punkt?

„Wie viel Ärger ich doch durch diese Trennung habe…“, hast du gestern gesagt. Und eine Million mal mehr nur gedacht. Immer wieder. Diese Ungerechtigkeit. Diese ganze verdammte Ungerechtigkeit. Wann wirst du von Manuel Carrasco, dem spanischen Schmusesänger zu frei.wild, den Südtirolern Rockern? Wann macht es bei dir Knacks, wie bei Nadine nach der Trennung? Wann?

Irgendwann kann sie nicht mehr. Und obwohl ihr Sohn auf dem Rücksitz liegt und schläft, drückt sie auf das Gas. Gibt immer weiter Gas. Bis sie von der Straße abkommt… Wie in Fight Club, wo der auf einmal bei Höchstgeschwindigkeit loslässt…

Gut, der Film hat seine Schwächen. Warum kommt der Typ überhaupt zurück? Und entführt gerade an der Tankstelle, wo die Frau – nachdem sie ihm entkommen ist und auch ihr Sohn in Sicherheit ist – die Polizei anruft eine weitere Mutter mit Kind… Klar, denkst du: Es gibt keine Zufälle. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass man Menschen, egal wen, nicht bis aufs Blut reizen sollte. Weil sie irgendwann genug haben. Irgendwann so die Schnauze voll haben, dass sie… Dass sie nicht mehr wollen, dass sie nicht mehr können…

Keine Ahnung. Aber auf jeden Fall zeigt er, wozu jemand in der Lage ist, wenn er „bricht“. Wenn sich ein Mensch einmal entschlossen hat, sich zu wehren. Sich endlich zu wehren. Wenn er alles aufs Spiel setzt, um in all dieser Erniedrigung, dieser Gleichgültigkeit der Welt sich doch ein bisschen Stolz, ein bisschen Selbstrespekt zurückholen…

Und am Ende richtet sie den Bankräuber selbst, erschießt ihn (natürlich nur in Notwehr) und entkommt sogar mit der Beute. Gewinnt vor Gericht den Unterhaltsprozess und kriegt noch eine Belohnung für die Ergreifung des Flüchtigen…

Zeigt der Welt, dass man niemanden unterschätzen sollte…

Egal für wie geistig und finanziell unterbemittelt man ihn hält…

Egal für wie schwach, wie am Boden der andere ist…

Egal für wie weiblich oder männlich…

Man sollte nie zu überheblich werden…












Montag, 2. Januar 2017

Schlümpfe, smurfs und passive Aggressivität











Morgens, so 10 Uhr, kriegt er eine Nachricht von María. Geil, denkt er. Endlich, denkt er. Zuerst sieht er nur die Meldung, noch nicht die Richtung. Dann öffnet er sie und liest: Wann soll ich kommen?

Zuerst will er was zurückschreiben, das, was er denkt, beherrscht sich dann aber wieder, besinnt sich seiner Selbst oder zumindest des guten Engels auf seiner rechten Schulter. Überlegt. Denkt nach. Relativiert. Rationalisiert (nein, er kürzt keine Arbeitsplätze), reflektiert, kalibriert, kontrakarikaturiert, kastriert des Nachbarn Katze, aber dann, nach einer Stunde, einer harmonischen Stunden zu den ebenso harmonischen Klängen von frei.wild im Hintergrund hat er die passende Antwort. DIE passende Antwort. Oder zumindest denkt er das, muss aber gleichzeitig an die Schlümpfe von gestern denken. In dem amerikanischen Film (zumindest in Teil 2, in Teil 1 wird er nur erwähnt) gibt es nämlich einen Schlumpf, der auf Englisch passive aggressive smurf heißt. Was für ein Schlumpf! Was für ein Name! Was für eine Schöpfung! Hätt ich den Amerikanern gar nicht zugetraut! Der passiv-aggressive Schlumpf! Wie geil ist das denn! Der Schlumpf, der laut Aussage von Schlumpfine (smurfette auf English!!) folgendermaßen beschrieben wird: as a nice Smurf who always makes another Smurf feel bad when he or she leaves him (Vielen Dank an dieser Stelle an smurfwikia, das Wikipedia für Schlümpfe!).

Ich schreibe also: 7 tage d woche, 365 im jahr, 24h am tag

Das ist DIE Lösung. Die Lösung für passiv-aggressive Schlümpfe! Passiv-aggressive *************.

Zufrieden begebe ich mich ins Bad, um mich zu rasieren, hole mir aber den Laptop aus dem Schlafzimmer, um noch ein bisschen frei.wild zu hören. Hab ich jetzt erst, an Weihnachten (wie passend!) entdeckt. Die Musik, bei der deine Tochter immer sagt: Mach das aus!!! Aber noch bin ich allein, also carpe diem! Wie immer seit YouTube von traurigen Smileys, die einem sagen, dass das Video nicht erlaubt ist, befreit wurde, kommt vor dem Video eine Werbung. Die man manchmal wegklicken kann, manchmal aber auch ganz erleiden muss. Und raten Sie mal, welcher Clip (zum Glück nur für fünf Sekunden, dieses Mal) vor „Nur Arschlöcher um mich herum“ (das heißt wirklich so!) von frei.wild läuft. Obwohl: Eigentlich weiß ich auch nicht welcher Film das ist. Aber vor „Nur Arschlöcher um mich herum“ (kann das wirklich nicht oft genug schreiben!) sagt dieser Typ – hey, das ist Will Smith – wirklich, ich zitiere (sonst glaubt mir das eh wieder keiner): „Im Leben geht es um die Menschen! Wir sind hier, um zu verbinden!“ Geil, ne?!

(Keine Ahnung, ob er das mit Ausrufezeichen sagt oder nicht, aber er sollte, deswegen habe ich sie einfach mal hinzugefügt)

Vor „Gutmenschen und Moralapostel“ (ich zitiere wieder) sagt er übrigens das Gleiche!


Warum mach ich mir eigentlich noch Sorgen um meine Zukunft?????