Sonntag, 15. Mai 2016

When one door opens another one closes...








Ich stand immer in der Tür. Immer, wenn wir Streit hatten.

Und sie wollte immer gehen. Immer, wenn wir Streit hatten.

Und blieb dann doch am Ende.

Aber nur, weil ich in der Tür stand.

Sonst wär sie damals schon für immer weg gewesen. Hundertprozentig. Das weiß ich heute.

Ein paar Mal wollte sie sogar über den Balkon abhauen (ok, wir wohnten damals auch nur im Erdgeschoss – aber trotzdem).

Einmal, wo unsere Ehe schon dem Ende zuging, wollte sogar María vor unserem Streit flüchten. Das war an Karneval. Unser letzter Karneval. Und wer hat sie zurückgehalten?! Ich, wer sonst?!

Jedes Mal stellte ich mich in die Tür und sie schwieg zwar tage- oder am Ende sogar wochenlang, blieb am Ende aber doch.

Ich weiß noch, einmal legte ich sogar meine Matratze in den Türbereich und schlief dort, damit sie nicht gehen konnte.

Sie hätte natürlich auch da locker vom Balkon in ihre Freiheit springen können.

Oder am nächsten Tag einfach wegbleiben können. Bei ihren Schwestern bleiben können. Aber erst als Rafael und Mandy aus Spanien zurückkamen waren, hat sie wirklich ernst gemacht, hat sie es wirklich getan.

Vielleicht auch, weil ihre Schwestern ihr sagten, sie sei unglücklich in ihrer Ehe.

Oder weil sie es war? Unglücklich.

Einmal, nur ein einziges beschissenes Mal stellte ich mich nicht in die Tür, und sie war…

…weg. Für immer weg.

Hätte ich es doch bloß früher getan.

Oder hätte ich es dieses eine Mal noch mal getan.

Wie nennt das Christina Zimmermann? In ihrem Buch Die Liebe und der Psychopath. Angst vorm Verlassenwerden. Ich hatte Angst vorm Verlassenwerden. Und das wusste Nadine ganz genau. Und hat es eiskalt ausgenutzt?

Aber vielleicht bin ich ja auch der Psychopath in unserer Beziehung gewesen. Oder wir beide. Oder keiner von uns beiden.

Angst vorm Verlassenwerden.

Das ist wie damals, ganz am Anfang unserer Beziehung, als die Liebe noch frisch war. wo ihre Noch nicht abgelaufen wie heute. Weggelaufen. Damals, wo ihre Schwester ihr gesagt hat, dass ich nicht gut für sie sei. Dass ich nicht der Richtige für sie bin. Und sie sich daraufhin fast von mir getrennt hätte. Am Telefon, das weiß ich noch. Sie rief mich an und ich saß in meinem Zimmer und versuchte, unsere Beziehung zu retten. Sie sagte, sie würde meine Sachen vor die Tür stellen. Damals konnte ich sie noch geradeso vom Gegenteil überzeugen

Ich weiß noch, wie sie mit ihren Leggings mir in die Arme sprang. Mit ihren dünnen Beinchen. Ihrem warmen Körper. Von diesem Sprung an waren wir wieder zusammen

Bis heute.

Ihre Schwester hatte gut reden! Ihre Schwester…die eine Frau geheiratet hatte, um in Deutschland zu bleiben. Um nicht mehr illegal zu sein. Ihre Schwester…die, wenn sie nicht Frauen heiratete immer nur mit irgendwelchen Spackos zusammen war. Wie diesem Rudi, diesem Pädo. Der sie immer nur kritisierte wie ein kleines Kind, das kein Deutsch kann, das keine Ahnung hat, das sowieso nichts kann. Der sowieso lieber mit kleinen Kindern spielte als mit ihr – laut Aussage meiner Mutter, die ihn einmal dabei gestört hatte, seinen sehr ausgeprägten Spieltrieb auszuleben, während die anderen Erwachsenen draußen grillten. Ihre Schwester, die jetzt wieder mit einem Mann verheiratet ist, der Portugiesisch kann und Portugal mag und aussieht wie ein…

Die hat angeblich gesagt, ich sei nicht gut für ihre Schwester, nicht der Richtige, nicht dies oder das für sie. Weil sie das ja bestimmen konnte als große Schwester. „Du hättest dir lieber gleich einen Rudi suchen sollen!“

Und sie hat ohne zu murren auf sie gehört. Wie jetzt wieder, bei ihrer anderen großen Schwester. Deren Mann bei ihr, bei uns, ein und ausging. Mit seinem Spruch, dass er den Größten hat. Große Männer, kleiner…kleine Männer, großer…

Ihre Schwester?

Oder sie?


Trennungsangst. Verlustangst meiner Kindheit. So nennt das Zimmermann. Die Angst, die Eltern vollends zu verlieren, die mich nie geliebt haben. Klingt logisch. Vielleicht zu logisch. Aber was weiß ich denn schon?! Ich hab ja eh keine Ahnung von Tuten und Blasen.





Wenn Sie ein Tier wären…









Einmal habe ich sie gefragt, welches Tier sie sein würde, wenn sie könnte. Oder müsste. Sie antwortete, dass sie dann ein pajarito sein würde, ein Vögelchen. Ein kleines Vögelchen. Ihr Lieblingstier war ein Vögelchen. Was wohl Freud dazu sagen würde?! Aber dafür brauch man glaub ich gar keinen Freud. Da reicht auch ein Otto-Normal-Psychologe.

Außer vielleicht, wenn man bedenkt, dass pajarito auf Spanisch nicht nur Vögelchen heißt, sondern Aber dann braucht er den Psychologen und nicht sie! Wenn er solche Gedanken hat. Ein harmloses Vögelchen mit einem ordinären Schwanz zu assoziieren. Obwohl es in Lateinamerika das gleiche heißt. Aber Vögel fliegen nicht in dunkle, feuchte Höhlen. Das tun allerhöchstens Fledermäuse. Aber eine Fledermaus wollte sie nicht sein, sondern ein Vögelchen. Die Fledermaus passte dann auch eher zu seinem Gemüt. Ein Dracula

Aber das Tier, was er sich vorstellte, war ein anderes. Eins, dass auch in Südamerika vorkommt. Nämlich ein schwarzer Panther (bitte nicht lachen!). Er sagte an dieser Stelle immer: „Das macht bestimmt Spaß. Den ganzen Tag durch den Dschungel streifen und andere, kleinere Tier reißen.“ Aufreißen. In sie hineinbeißen. Sie verzehren. Auf sie herunterspringen. El salto de la pantera. Der Sprung des Panthers. „Das macht bestimmt Spaß. Das ist bestimmt geil. Alle haben Angst vor dir und du drehst einsam deine Runden durch den Dschungel, immer auf der Suche nach Beute. In die du deine Zähne treiben kannst

mit der du es treiben kannst                                 es wild treiben kannst, in der Wildnis

(wo kommt das denn jetzt her, Herr Psychologe? Herr Psychopath.

Oder würde sie vorher wegfliegen!? Und fressen schwarze Panther überhaupt Vögel? Wenn sie sie erwischen? Kriegen die die überhaupt zu fassen. Oder sind die immer schon weg, wenn die kommen?

Eins ist sicher: Ein Vögelchen und ein schwarzer Panther sollten irgendwie keine Beziehung eingehen, wenn das Vögelchen nicht gefressen werden will oder wenn der Panther nicht sehnsüchtig dem wegfliegenden, schillernd bunten Vögelchen nachsieht, ohne selbst fliegen zu können. Nur springen und das ist nicht das Gleiche.

Eine weitere Frage für einen (Hobby-)Psychologen wäre natürlich, ob nicht in Wirklichkeit sie sich insgeheim wie ein schwarzer Panther fühlte und er wie ein Vögelchen, das einfach nur wegfliegen will. Oder er ein rosaroter Panther und sie ein Kondor?


Aber lassen wir das. Ist besser so.





Sonntag, 8. Mai 2016

Sand am Arsch








Warum soll er noch irgendetwas zurückhalten, denkt er, als er seine Notizen durchsieht, die er über die Jahre geschrieben hat. Dafür ist das Leben zu kurz und bisher hat es dir auch nichts gebracht, zurückhaltend zu sein. Mal sehen, ob das stimmt, was sein Vater damals gesagt hat: Dass das keiner lesen will, dass die Leute fröhliche Geschichten wollen. Dass das keinen interessiert. Selbst im Krankenhaus nach einer doppelten Bypass-Operation konnte er ihn noch runtermachen, seinen mittlerweile mindestens 35-jährigen Sohn. Als wär er noch immer das kleine Kind. Und er sagte nichts, schluckte alles runter, als wär er eben immer noch das kleine Kind.

Aber falls es doch eine Person auf dieser großen, weiten Erde gibt, die sich nicht von der Dauerbeschallung der „deutschen Spaßgesellschaft“ blenden lässt, die auch mal etwas Schwermütiges, Melancholisches erträgt, dann hier der doch selbst ziemlich fröhliche Ausschnitt aus einem unserer früheren, gemeinsamen Urlaube:

Zurück im Hotel sagt María direkt: „Wir gehen zuerst duschen! Ich und Mama! Du danach!“

„Ok. Ok. Wenn’s unbedingt sein muss. Eigentlich wollte ich ja, aber. Aber nicht die Dusche dreckig machen! Ja.“

Sie streifen hastig ihre Klamotten runter und rennen ins Bad. Ich lege mich erst mal aufs Bett und spiele Gameboy. DS. Fühle mich zwar ein bisschen dreckig, aber egal. Und meine Füße erst. Ich sage nur: schwarz.


María quiekt aus dem Bad.

„Aaah…heiß, Mama.“

„Ja, ja, ja. Ja, María“



„Aua.“

„Ja, wenn du nicht stillhältst.“

Die haben ihren Spaß unter der Dusche. Und ich?


Das Wasser plätschert.


„Mama. Mamaa.“


Nach einer Weile kommen sie beide mit diesen hohen Kopftüchern aus dem Bad. Das sieht voll geil aus.

„Und, seid ihr fertig? Kann ich jetzt?“




Nach dem Duschen muss Nadine sogar noch mal auf Klo.

„Bah, das ist ja eklig!“

Sie sitzt ganz nackt auf dem Klo und steht auf. Man kann ihr rasiertes Schamhaar sehen. Ob sie Sand in ihrer Vagina hat. Oder im Arsch. Im Arsch bleibt immer Sand hängen. Nicht direkt im Arschloch, aber in der Ritze.

Wird eine sandige Angelegenheit heute Abend. Vielleicht nehm ich auch einfach den Hintereingang. Aber vielleicht ist der auch sandig. vielleicht sogar noch sandiger. Wer weiß, wie gründlich sie sich gewaschen hat. Vielleicht hat sie ja irgendeine Creme da, mit der es funktioniert. Gestern hat sie schon gesagt: „Versuch doch mal.“ Aber trocken geht da gar nichts. Aber ich hab ja einen kleinen Penis, oft ist er nicht mal so steif.
 


Sie steht vom Klo auf und zieht sich ihre Blümchenshorts wieder an.

Ich hab total Verstopfung. Schon drei Tage. Was mache ich denn? Das ist nicht gut.


Ich glaube, die Option mit der Hintertür ist hiermit gestorben. Scheiße. Im wahrsten Sinne des Wortes. Scheiße. Ich glaube so geht das nicht

Ficken ist Kacke, Pisse und keine Ahnung was. Wie dieser kubanische Schriftsteller sagt, ne


Aber wer weiß. Vielleicht kann ich ihr ja sogar helfen. Rohrreinigung sozusagen



„Ich hab Sand im Arsch“, rufe ich Nadine von unter der Dusche zu. „Ich hab Sand im Arsch.“ Ich denke kurz darüber nach mir einen runterzuholen. Mit Seife als Schmiermittel. Dann ist mein Ding auch besonders sauber für heute Abend. Vielleicht funktioniert es mit den drei Spanierinnen vom Strand. Die sich da draußen mit dem Handtuch umgezogen haben. Ganz sicher funktioniert das. Die waren so geil. Ich kann ihre kleinen Brüste unter dem Handtuch fast sehen, riechen.

Ne, geht nicht. Nicht mit Nadine und María im Nebenzimmer. Nicht so. Früher mit deinen Eltern in Ungarn hat das immer geklappt. „Ich geh dann mal duschen.“ „Ich geh als Letzter.“ Jeden Tag hast du dir einen runtergeholt. Du warst so cool mit 15. Unter der Dusche. Und du warst so geil. Du hast dich richtig aufs Duschen gefreut. Immer am Ende, damit du schön viel Zeit hast. Ich weiß gar nicht mehr, was ich mir damals dabei vorgestellt habe. Deine Mutter hat nie was gemerkt. Die wär nie wieder da duschen gegangen. Oder vielleicht wusste sie es doch, hat es geahnt

Jetzt geht es auf jeden Fall nicht. Egal, ich brauche Saft für heute Abend. Sperma. Ich bin so geil. Das ist bestimmt das Wetter. Stattdessen dusche ich mich nur ganz normal, wobei mein Blick auf  einmal auf meine Füße fällt. Scheiße, die sind knallrot. Die fangen jetzt schon an zu brennen. Kacke. Ich glaub. Ich hab meine Füße beim Eincremen vergessen. Nadine hat sie vergessen. Oh, oh. Nach dem Urlaub ist wohl ein Hautkrebs-Check angesagt. Oder nur wenn sich da was verändert. Kann sich das auch an einer anderen Stelle verändern oder nur da, wo der Sonnenbrand war. Keine Ahnung. Und wenn die das Muttermal nicht findet, weil es an einer versteckten Stelle ist. Zum Beispiel an den Eiern. Ich hab ein großes Muttermal an den Eiern. Aber ich glaube das wächst nicht. Wer weiß. So genau achte ich dadrauf eigentlich nicht. Nicht an der Stelle. Es ist ja nicht so, dass ich den ganzen meiner Eier massiere. Mein Muttermal am Penis wächst täglich, hahaha. Das halbkalte Wasser tut meine geschundenen Füßen zwar noch gut, aber die sind voll krebsrot. Ich glaube, die ham auch schon angefangen leicht zu brennen. Scheiße. Die pellen sich bestimmt schnell. Und das, wo ich immer so darauf achte. Lichtschutzfaktor 50. Scheiße.

„Scheiße. Naddi, ich glaub, ich habe mir ganz schön die Füße verbrannt.“

Keine Antwort. Vielleicht. Hat sie mich nicht gehört.

Trotzdem ist der Sand an allen möglichen Körperstellen richtig geil. Sand in der Dusche. Wenn du nicht mindestens einmal im Jahr Sand in der Dusche hast, hast du nicht gelebt. Echt. Das ist so cool. Da kommt dieses Urlaubsgefühl wieder hoch. Jedes Jahr sind wir mit meinen Eltern in Urlaub gefahren. Immer irgendwo an den Strand. Jedes Jahr. Jedes Jahr hatte ich Sand am Arsch und an dieser Stelle zwischen den Beinen, wo sich immer alles ansammelt. Dreck. Gerüche und eben Sand. Die behaarte Vagina deiner Mutter. Bah
  im Badeanzug

Fuck Forever










Er weiß noch, wie er letztes Jahr mit ihr zum Karnevalszug gegangen ist. In Endenich. Obwohl er eigentlich nicht viel für diese ganze Scheiße übrig hatte. Vielleicht für irgendwo schön feiern gehen schon, aber ganz bestimmt nicht für in der Kälte herumstehen und nach Kamellen schnappen, die eh nur dick machen und sowieso nichts Besonderes sind. Und dabei wie ein Bekloppter "Kamelle"zu rufen. So was erträgt man echt nur besoffen, aber er konnte ja schlecht schon am Sonntagmorgen besoffen sein...

Aber an diesem Tag, da wollte er mit. Keine Ahnung warum. Hat sich fast aufgedrängt, weil er eh frei hatte und nicht einsah, warum er alleine zu Hause sitzen sollte, während sie mit ihrer Freundin Loreta zum Zug geht. Und wegen Loreta war das auch nicht, so viel ist sicher. Bei jeder anderen von Nadines Freundinnen vielleicht, aber nicht bei Loreta: Die war wirklich eine der wenigen Freundinnen von Nadine, die er nicht reizvoll fand.

Bis natürlich auf das eine Mal, damals, vor gut und gerne zehn oder vielleicht sogar schon fünfzehn Jahren. Da wo er alleine bei ihr zu Hause war, morgens, damals, wo die noch alleine lebte, obwohl sie da, glaube ich, schon mit ihrem Freund Juan zusammen war. Und bis vielleicht auf die kleine Wichsfantasie, die er sich um Loreta zusammengesponnen hatte und die sogar knapp einen Monat gehalten hatte – aber dazu ein anderes Mal mehr.

Auf jeden Fall war er damals alleine bei Loreta, nachdem er dort übernachtet hatte, weil seine Eltern – Gott sei ihre Seele gnädig – ihn rausgeschmissen hatten (dafür sind ja Eltern schließlich auch da!). Und wie immer, wenn er alleine bei irgendeiner Freundin von Nadine war, wühlte er ein bisschen in ihren Sachen rum. Natürlich nicht, um was zu klauen, sondern nur um zu sehen…das ist mir jetzt aber peinlich…um zu sehen…wie sage ich das jetzt am besten…um zu sehen…was die für Unterwäsche hatte. So, jetzt ist es raus! Die Wahrheit ist eben manchmal nicht ganz leicht, ganz pflegeleicht. Genauso wenig pflegeleicht wie die Unterwäsche von Loreta. Denn es dauerte nicht lange und er wurde fündig. Das dauerte nie lange. Bei keinem. Nicht bei der Schwester von Nadine (Tangas vom Feinsten, wer hätte das erwartet?!), nicht bei Marina von nebenan, die ihre Wäsche dummerweise in ihrem gemeinsamen Keller aufhängte, und natürlich auch nicht bei Loreta. Damals schockte ihn das asoziale Verhalten seiner Eltern noch nicht lange, wie Sie sehen – wenn er schon am nächsten wieder auf die Jag nach Unterhosen ging. Auf die Pirsch. Und Unterhosen, obwohl es weniger aufreizend klingt als Slips, ist hier echt passender, denn Loreta war nicht eine dieser zierlichen Ecuadorianerinnen wie sie in Nadines Familie so gehäuft vorkommen. Nein, in der Tat nicht. Anders als diese dünnen, fiesen flacas in Nadines Familie, war Loreta eher eine kräftige, fiese gorda und damit meine ich nicht den spanischen Weihnachtsjackpot (der heißt ja auch „el gordo“ und nicht „la gorda“!). Und so war auch das, was er über der kleinen Heizung im kleinen Flur ihrer kleinen Wohnung in Endenich fand alles andere als ein kleiner Slip, den er hätte übersehen können. Nein, das war schon fast ein Zweimannzelt.

Nein, so schlimm war es auch nicht. Er beliebt zu übertreiben oder wie das heißt. Besagtes Stück Stoff, das auch als Tischdecke hätte herhalten können (natürlich nur auf einem kleinen Beistelltisch), war schon groß, aber dafür war wenigstens etwas dran. Was zum Anpacken, zum Zupacken. Genau wie bei Loreta. Denn das war eine Unterhose, die sein Vater mit Fug und Recht „Sloggi Long Long“ genannt hätte. Woher sein Vater, der sonst eher wenig bis gar kein Englisch sprach, diesen Begriff kannte, weiß er auch nicht. Die Unterhose von Loreta bestand also aus feinstem Feinripp, wenn sie wissen, was ich meine. Natürlich in der Damenversion. Loreta trug ja keine Herrenunterwäsche! Was vielleicht besser gewesen wäre: Denn das hätte ihn vielleicht (einen Moment lang) von dem abgehalten, was als Nächstes passiert. Nämlich, dass er (und hier erinnere ich gerne noch mal daran, dass alle Personen in diesem fiktiven Klage…äh…Tagebuch meiner kranken Fantasie entspringen und nichts, aber auch gar nichts mit echten Personen in Bonn zu tun haben) sich umblickte, sich nochmals umblickte und dann ganz vorsichtig, mit den Fingerspitzen, das Ding, das Artefakt von der Heizung nahm, es an den sensiblen Stellen berührte und feststellen musste, dass Loreta anders als Nadines Schwester wirklich sauber war, daran roch und dann…

…der Rest ist Geschichte.

Alles ganz harmlos. In Wahrheit hatte Loreta Glück, denn wenn das heute passieren würde, hätte er hundertprozentig ein Selfie mit Zelt (Pardon: Unterhose, meine ich natürlich) gemacht und das Ganze keine fünf Sekunden später ins Internet gestellt. Auf Instagram!).

Und so holte er sich mit diesem Ersatzzelt einen runter – natürlich alles ohne Flecken zu hinterlassen, da hat er immer aufgepasst! Das wär ja noch schöner, wenn er auch noch Souvenirs hinterlassen hätte! Diesbezüglich hat er sich wirklich nichts vorzuwerfen.

…dachte an ihre sanften und prallen Rundungen (boah, die Loreta hatte echt Atomtitten), an ihren Venusberg…

Und vor besagten Karneval waren er, Nadine und María sogar an Neujahr mit Juan Essen gewesen. Deswegen konnte er dem seine ablehnende Haltung an Karneval so gar nicht verstehen. Der Typ war zwar irgendwie Alkoholiker (Loreta redete immer davon, dass er eigentlich gar nichts mehr trinken soll, wegen seiner Leber, aber erzählen Sie das mal einem Portugiesen, der mit dem Porto schon in der Muttermilch aufgewachsen ist). Aber trotz seines kleinen Alkoholproblems (das ist doch kein Problem, so ein Gläschen in Ehren…) war der Typ sterbenslangweilig und er hatte sogar nach Silvester zu Nadine gesagt, dass er sich sowas nicht noch mal antut. Und auch noch dafür bezahlt, denn dieses peruanische Restaurant hatte für die Qual, die sterbenslangweiligen Gespräche, das fade Essen und das ebenso farblose Ambiente auch noch Geld genommen (Knöpfe wollten die nicht und spülen wollte er nicht, denn dann hätte er ja das Feuerwerk mit Loreta verpasst – bei dem sie ja vielleicht durch einen Zufall von der Rheinbrücke gefallen wäre und ihr Mann gleich in seinem Dauerrausch hinterhergesprungen wäre und sie nie mehr gefunden worden wären). Aber er war damals wie heute einfach viel zu nett, um einfach zu sagen: Geh mir nicht auf die Eier, du langweiliger portugiesischer Wichser, mit deiner komischen Sprache, die nicht klingt wie Spanisch ohne Knochen, sondern eher wie unzusammenhängendes, romanisches Lallen ohne Knochen. Ich will nichts von deinen alltäglichen Abenteuern auf der Autobahn und in der Wurstfabrik wissen. Eigentlich bin ich nur aus Liebe zu Nadine hier. Und weil ich eifersüchtig bin, wenn sie Silvester allein mit euch Spacken verbringt. Und nicht um mir dieses übelriechende Gesülze anzuhören, dass ich eh nicht verstehe und auch gar nicht verstehen will, ehrlich gesagt! Du verstehst?!  ¿!Entiendes?! Am Ende wollte ihn Loreta sogar noch vor seiner Tochter abzocken, indem sie sich andauernd bewusst unbewusst bei der Rechnung verzählt hat und dann von meiner Tochter (!) eines besseren belehrt wurde. Mit mir und meiner gepflegten 5- bis zum bitteren Ende kann man es ja machen!

Aber daran konnte das auch nicht liegen. Daran lag das bestimmt nicht…

…dass der mich so blöde anglotzt…

Denn als ich an Karneval mit Nadine als Mexikaner verkleidet Loreta und ihren feinen Ehemann in einer Bäckerei traf, war Letzterer gar nicht begeistert von meiner Anwesenheit. Aber was sollte ich denn machen? Mich in Luft auflösen? Für dich coschonuo pendescho? Das ist schließlich meine Frau, mit der ich hier bin. Kann ich doch nichts dafür, dass das die nicht gefällt.

Aber ich sagte nichts. Weil ich zu nett.

Das war er sein ganzes Leben lang. Viel zu nett. Das ist nämlich genau sein Problem: Dass er zu nett ist! Viel zu nett für diese Welt.

Darf ich etwa mit meiner Frau nicht zum Zug gehen. Gefällt dir das etwa nicht?! Weil du mit ihr allein sein willst, oder was?! Er übertreibt, aber das war an dem Tag richtig auffällig. Vielleicht wusste ja Loreta schon was von Nadines Plänen. Oder von ihrem anderen. Oder von ihr und ihrem Schwager Rafael. Und das machte denen ein schlechtes Gewissen. War das dann etwa mein Problem. Wie gesagt, an dem Tag kam das richtig raus. Dass die mich nicht dabeihaben wollten. Ich weiß nicht warum und ich werde es nie erfahren, aber da war irgendwas im Busch. Vielleicht hatte sie ja heimlich was mit dem. Wenn er gerade mal nicht betrunken. Oder gerade wenn er betrunken war. Denn Loreta reagierte nicht so auf meine Anwesenheit. Die war ganz cool.

Aber das sind Frauen ja immer, in diesen Dingen. Das ist ihnen sozusagen in die Wiege gelegt. Ich seilte mich ab, blieb auf dem Bürgersteig stehen, während Nadine mit denen weiter vorne stand. Wie immer. Ich war der Gefickte, der Außenseiter, der der von nichts was wusste, von nichts eine Ahnung hatte. Während die anderen sich amüsierten. Spaß hatten.

Ich verstehe immer noch nicht, warum Nadine, als sie merkte, dass ich keinen Bock mehr hatte, noch versuchte, mich zu beschwichtigen. Zu mir kam, mich umarmte, mich küsste…

…wo sie doch genau gewusst haben muss, dass sie mich verlassen würde. Für immer verlassen würde. In nicht mal mehr zwei Wochen…

Ich verstehe es nicht. Ich verstehe es einfach nicht. Es fehlt nicht nur ein Puzzleteil, sondern gleich die ganze Hälfte des Puzzles und der Karton. Bestimmt war der Samen des Verrats schon gesät, in den fruchtbaren Mutterboden eingebracht, vielleicht sogar von diesem Portugiesen persönlich.

Fuck forever!

Das tut so unglaublich weh, immer noch, selbst heute noch, gerade heute an einem dieser großen Tage im Kalender, an Rhein in Flammen besonders. Obwohl es natürlich müßig ist , sich jetzt noch über sowas Gedanken zu machen – jetzt, wo sie für immer weg ist –, aber in Ermangelung eines eigenen Lebens macht man sich über so einiges Gedanken.


…die Erinnerung an sie brennt fast ein Loch in meine Seele.