Donnerstag, 19. Mai 2016

Vater und Tochter









Er geht mit seiner Tochter laufen. Im Wald. Es gab mal eine Zeit, wo sie was gegen den Wald hatte. Keine Ahnung, warum. Da wollte sie immer woanders hin, aber heute ist der Wald okay. Jetzt Ende Mai ist er ja auch anders als im Winter. War er im Winter noch grau, kalt und nass ist er jetzt ganz grün, erinnert fast an einen Dschungel. Überall sprießt und blüht es und wir laufen fast durch eine Art hellgrünen Tunnel. Ist schön so, der Wald.

Beim Laufen ist María auch immer entspannt, redet viel und ist nicht ganz so wortkarg wie sonst. Sie scheint richtig aufzublühen. Kein Wunder, sie läuft ja auch gute 100 Meter vor ihm, denn heute hat er keinen Bock. Es war ein langer Tag und er will einfach nur entspannen. Sie läuft sogar so weit vor, dass er sie zeitweise gar nicht mehr sehen kann (und mit seinen Augen sowieso nicht mehr). Das macht ihm ein bisschen Sorgen, da kommt der Beschützerinstinkt eines fürsorglichen Vaters wieder durch, der durch die Trennung ein bisschen in Mitleidenschaft gezogen worden war. Wer weiß, wer hier sonst noch durch den Wald läuft, was für Typen das sonst, was für schräge und komische Vögel.

Aber dann sieht er sie wieder, inmitten all dieses Grüns, das fast schon den Blick zum Himmel verdeckt. Der Himmel, der heute ausnahmsweise mal blau ist.

Er genießt das richtig, mit ihr durch den Wald zu laufen beziehungsweise zu gehen, jetzt wo er sie nur noch vier Tage die Woche sieht. Offiziell 3 1/2! Und trotz Kommunikationsstopp haben er und seine Frau es geschafft, Marías Anwesenheit fast genau pari-pari auf die Woche zu verteilen. Eigentlich kann sich keiner der beiden darüber beschweren, dass er bei dieser Regelung benachteiligt wird. Das ist wie er gelesen hat. Manchmal ist das Wechselmodell sogar bei Paaren mit hohem Konfliktpotenzial das Beste.

Natürlich ist das Modell immer noch Scheiße, wenn man das mit vorher vergleicht und wenn man darüber nachdenkt, dass María eh bald aus dem Haus geht und das jeder Moment mit ihr wertvoll ist. Aber das liegt nicht in seiner Hand. Er kann seine Frau nicht zwingen, ihn genauso zu lieben wie ihre Familie. Damals hatte er sie doch tatsächlich vor die Wahl gestellt: „Ich und der Rafael in einer Stadt, das geht nicht. Da musst du dich entscheiden. Das mache ich nicht mit.“ Heute ist das der Satz, den er am meisten bereut. Aber er kann die Uhr nicht zurückdrehen und jetzt wäre die Atmosphäre zwischen den beiden sowieso vergiftet. Selbst wenn sie wieder zusammenkommen würden, würde das nicht mehr funktionieren, würde nicht mehr dasselbe sein. Sie hat ihm seine Unschuld geraubt, damals als sie ihn mit 19 Jahren entjungfert hat und letztes Jahr als sie ihn verlassen hat. As würde niemals funktionieren. Instinktiv weiß er das. Was er auch instinktiv weiß ist, dass er sie immer lieben wird, egal wie lange er von ihr getrennt ist. Trotz allem, was sie ihm angetan hat, was er ihr angetan (denn da gibt es auch so einiges), trotz allem wird sie immer einen Platz in seinem Herzen haben, solange er lebt. Solange er lebt, wird immer ein Platz in seinem Herzen leer bleiben.

Aber wenigstens ist seine Tochter noch bei ihm. Ohne sie wär er schon lange weg. Dann hätte er schon lange gesagt: Ach, leckt mich doch, ihr Arschlöcher! Wenn du den Rafael und deine Schwestern mehr liebst als mich, dann leck mich doch! Dann bleib doch, wo der Pfeffer wächst!

Aber er kann seine Tochter nicht verlassen. Das hat sie nicht verdient. Und außerdem hegt er immer noch eine verschwindend geringe Hoffnung, dass…

…ja, was eigentlich?

Sie wissen schon was.

Solange der Patient noch eine Überlebenschance von 5% hat, gibt auch kein Arzt auf. Auch wenn die Chance verschwindend gering ist, werden Sie keinen Arzt finden, der sagt: Dann lassen wir den eben sterben. So verhält es sich auch mit ihm. Obwohl er instinktiv natürlich ganz genau weiß, dass das Pferd tot ist, das Der Drops gelutscht ist, dass es keine Hoffnung mehr gibt. Aber trotzdem spürt er in seinem Herzen noch etwas anderes. Etwas Undefinierbares. Einen Funken. Einen Funken Hoffnung? Liebe?

Wenn er seinem Gefühl vertrauen würde, müsste er glauben, dass er noch eine Chance hat. Aber wie sagt dieser Typ aus High Fidelity, Nick Hornbys Liebsummer-Roman das: My stomach has got shit for brains. Ein Bauch hat überhaupt keine Ahnung.

Plötzlich schließt seine Tochter, die sich anders als er schon auf dem Rückweg befindet, wieder zu ihm auf, lacht. Es tut gut sie so fröhlich zu sehen. Und dann irgendwann auf dem Rückweg, auf dem Rückweg nach Hause, sagt sie diesen Satz, der ihn aufhorchen lässt. Und zwar richtig. Der ihn fast schon zusammenzucken lässt.

„Letztes Jahr war ich so richtig dünn, hab so richtig abgenommen, dass war schon fast Magersucht…, da war ich viel zu dünn…“

Und er antwortet: „So einen Satz darfst du deinem Vater doch nicht sagen.“

Vor allen Dingen darfst du das Wort „magersüchtig“ nicht in einem Gespräch mit deinem Vater verwenden. Besonders nicht, wenn du diese Woche gesagt hast, dass du keinen Bock auf Fleisch hast. Und sogar Eis und Würstchen ablehnst.

„Die kleine María, der hätte ich das mit den Würstchen nicht zweimal sagen müssen. Die wär direkt gekommen…“

„Damals war ich ja auch fett.“

„Fett warst du nie.“

„Doch, pummelig.“

„Quatsch! Du hattest immer ein rundes Gesicht, weil deine Mutter aus Lateinamerika ist. Aber dick warst du noch nie. Okay, vielleicht als Baby. Aber alle Babys sind dick. Wer will schon ein dünnes Baby?! Das war nur Babyspeck bei dir. Das ist normal. Am Bauch ein bisschen. Aber vielmehr war das nicht.“

„Doch, mit zehn war ich dick, das weiß ich noch. Wie ich auf der Grundschule war.“

„Das hab ich aber ganz anders in Erinnerung.“

all diese Zeit ist weg, vorbei. Für immer vorbei, kommt nie wieder

„Du warst auch mit zehn nicht dick. Du denkst daran, wie sie damals im Badeanzug aussah. Ne, das kann nicht sein. Die war nicht dick. „Du warst immer klein und kompakt, aber nicht dick…“

„Doch.“

Noch Tage später mit ihr machst du dir Sorgen, denkst über das Gespräch nach. Darüber, dass sie tatsächlich das Wort „Magersucht“ gebraucht hat. Tut das ein Magersüchtiger? Du weißt es nicht. Du selbst hast ja auch im gewissen Maße eine Essstörung. Denn du isst zu viel. Du isst um die Leere in deinem Inneren zu füllen. Die so groß ist, dass du locker 10-15 Kilo zu viel auf den Rippen hast. Das ist auch in einem gewissen Sinne eine Essstörung. Du denkst daran, dass sie in letzter Zeit kein Eis mehr essen wollte, keine Würstchen mehr. Kein Fleisch. Und machst dir noch mehr Sorgen. Und plötzlich bekommst du ein schlechtes Gewissen: Bei all deinen eigenen finanziellen, psychischen, sozialen Problemen hast du sie und ihr Wohlbefinden ein bisschen aus dem Augen verloren. Plötzlich fragst du dich, wie sie eigentlich mit der Trennung umgegangen ist. Wie sie das „verdaut“ hat. Dass sie dir damals sagen musste: „Die Mama kommt nicht mehr wieder.“ Dass sie somit praktisch der Messenger ihrer Mutter war. Wurden die nicht im Mittelalter manchmal sogar ermordet, die Messenger. Die Überbringer schlechter Nachrichten. Für die sie selbst wahrlich nichts konnten. Das gibt es heute immer noch, im Englischen. Den Spruch Don’t shoot the messenger! Das kommt glaub ich in irgendeinem Eminem-Lied vor. Eminem, der auch jahrelang um seine Tochter gekämpft hat, versucht hat trotz Trennung und On-Off-Beziehung ein guter Vater zu sein. Das ist schon ungerecht, für die Kinder. Die stehen quasi permanent zwischen den Stühlen. Das ist bestimmt nicht leicht. Bei Eltern wie mir und meiner Frau. Wie mir besonders. Und trotzdem hat sie zu mir gehalten. Und zu ihrer Mutter.

„Bei uns sind die Eltern die, die Probleme machen“, hast du letztens zu deinem Kollegen gesagt, als er dich nachts nach Hause gefahren hat. Recht hattest du. Aber hast du dich auch nur einen Moment mal gefragt, wie schwer diese Scheiße für María ist. Die nicht über das psychische Gerüst verfügt wie du oder Nadine. Die ihr beide schon so viel erlebt hat, so viel Scheiße gesehen habt. Wie schwer das für sie sein muss. Mit was für Belastungen das für ihre junge Seele einhergehen muss.

Aber ich wollte die Trennung ja gar nicht.

Aber das ist doch keine Entschuldigung!

Wir machen alle Fehler.

Das ist auch keine Entschuldigung.

„Wenn du mal Kinder hast…“, hat deine Mutter immer drohend zu dir gesagt, wenn du mal wieder dein „Theater“ abgezogen hast als Jugendlicher. Geschrien hast wie am Spieß. So dass die ganzen Nachbarn dich gehört haben.

Es ist nicht leicht Vater zu sein.

Mutter bestimmt auch nicht.

Aber wäre es denn ohne Trennung besser gewesen?

Für María bestimmt.

Aber „wenn es nicht mehr geht, dann geht es nicht mehr“, wie das deine Chefin so treffend und so verstörend für dich ausgedrückt hat.

„Wenn es nicht mehr geht, dann geht es nicht mehr.“

Ging es wirklich nicht mehr für Nadine?

Bestimmt, sonst wär sie ja geblieben. Oder zurückgekommen. Oder was weiß ich was

Wie mag die Trennung auf ihre kleine Kinderseele gewirkt haben. Und genau dann sind ihre Eltern so mit sich selbst beschäftigt, dass sie sich nicht auch noch mit ihren Problemen auseinandersetzen können. Das ist das perfide.

Wäre es wirklich nicht mehr gegangen. Er liebt sie doch immer noch

Sie war zwar kein Kind mehr, aber mit 16 ist man noch lange nicht erwachsen, hat man noch lange nicht die Erfahrung oder den Rückhalt eines Mittdreißigers. Da musst du nur an dich denken, wie du mit 16 gedacht hast. Nicht weit über das nächste Rap-Video, die nächste CD, das nächste Onanieren, die nächsten fruchtlosen „Augenblicke“ mit Klassenkameradinnen hinaus. Du warst so unschuldig, so unwissend. Dann stell dir mal vor, wie das für sie war, die genauso behütet – trotz fehlendem Reichtums – wie du aufgewachsen ist. Das muss so unendlich schwer für sie gewesen sein. Besonders bei deinem Verhalten am Anfang

auch dich hat die Scheiße kalt erwischt                                   aber wie

ich weiß, aber trotzdem

Das ist bestimmt nicht ideal. Ich hoffe, Nadine findet, was sie bei mir vermisst hat. Findet einen neuen Partner, der sie mehr liebt oder ihr das anders zeigt als ich das konnte. Wenn das nämlich nur ein Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel war, dann

Das ist so in unserer Gesellschaft von heute. Man ist nicht mehr zufrieden mit etwas, dann nimmt man sich etwas Neues. Alles geht immer schneller, da ist das Partnerkarussell keine Ausnahme. Speed-Dating, Datingportale, Ehen, die von vornherein ein immer kürzeres Verfallsdatum aufweisen, all das ist heute die Regel und nicht mehr die Ausnahme. Bei all diesem Speed muss natürlich auch etwas auf der Strecke bleiben. Ich glaube wirklich das uns das die viel gescholtenen Araber und Muslime voraus haben und dass es genau das ist, was Europa an den Rand des Abgrundes bringen wird beziehungsweise schon gebracht hat. Man denkt, dass man so „frei“ ist, dass man sich nicht mehr seinen Problemen stellen muss. Man kann sich ja was Besseres suchen. Man muss ja nicht mehr wie früher ewig an eine Person gebunden sein. so beschleunigt sich auch der Auflösungsprozess der Gesellschaft an sich. Wenn nichts mehr Bestand hat, dann hat am Ende auch die Gesellschaft keinen Bestand mehr. Eltern, die mit Kindern streiten. Kinder, die mit Eltern streiten. Kinder, die ihre Eltern immer schneller abschieben, nur um nicht an ihre eigene Endlichkeit erinnert zu werden. Väter – und es sind immer noch besonders die Väter, die mir nichts dir nichts aufs Abstellgleis geschoben werden, als ob kleine Kinder schon entscheiden könnten, das Papa nicht gut ist, es nicht wert ist, sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen. Kann man ja später noch, wenn Papa erstmal zehn Jahre entfremdet ist und wieder neue Kinder, neue Bindungen eingegangen ist. Man will ja Spaß, Hauptsache Spaß. Man will ja Glück, Hauptsache glücklich.

Aber die Frage bleibt natürlich: Macht uns das wirklich Spaß, macht uns das wirklich glücklicher. Auf das Karussell aufzuspringen und wieder runterzuspringen, wenn man keinen Bock mehr hat. Wenn es keinen Spaß mehr macht. Sich einen Neuen zu suchen, der bestimmt besser ist als der Alte. Bestimmt. Natürlich. Nicht zurückzublicken. Nie zurückzublicken. Damit haben die Deutschen eh Probleme, mit dem Blick zurück. Aber auch die Ecuadorianer.

Am Ende wird abgerechnet.

Aber: Sehen Sie – trotz freier Partnerwahl, freiem Partnertausch, trotz freier Liebe (haha) – wirklich hier Leute, die glücklicher sind, als, sagen wir mal, in anderen Ländern? Sind die ach so wunderbar freien und liberalen Deutschen wirklich glücklicher oder bleibt in unserer ach so freien Spaßgesellschaft, in der wir doch alle so viel Spaß haben nicht auch etwas auf der Strecke. Etwas, das es früher noch gab.

Ein bisschen Schwund ist immer dabei. Aber schwindet hier nicht gerade das Wichtigste? Das, was eine Gesellschaft zusammenhält? Der Kitt einer Gesellschaft? Nämlich der Zusammenhalt selbst. Die Werte der Loyalität zu Partnern, zu Kindern. Zu Eltern. Die ich auch nicht habe, ich weiß, aber ich bin ja auch ein Kind dieser Gesellschaft.

Und ich sehe Deutschland nicht kämpfen. Aber auch Frankreich nicht, wie Houellebecq behauptet. Dass „Europa untergeht und nur Frankreich dagegen ankämpft“. Tut mir leid, ich sehe das leider nicht. Auch in Deutschland nicht. Dass wir kämpfen. Für neue Werte. Für neue, alte Werte.

Wir sind viel zu sehr damit beschäftigt noch ein bisschen Spaß zu haben, einen letzten Rest Spaß aus einem bereits toten Tier herauszuquetschen. Auf der untergehenden Titanic noch Musik zu spielen, zu tanzen.

Aber ich kann mich natürlich auch täuschen und diese Gesellschaft ist die beste, die glücklichste, die spaßigste aller Gesellschaften. Dann hab ich mich eben getäuscht.

Aber das ist nicht das, was ich sehe, wenn ich täglich Bus fahre. Aber vielleicht sitzen die wirklich spaßigen, glücklichen Menschen ja auch nicht im Bus. Fahren gar keinen Bus. Sollten Sie mal, es würde ihre Perspektive erweitern.

Und währenddessen muss ich mir Sorgen über meine Tochter machen, natürlich ohne mit der einzigen Person reden zu können, die diese Sorgen ehrlich mit mir teilen könnte: ihre Mutter.

Ob ihrer Mutter das Spaß macht, zu schweigen. Einfach zu sagen: Der Austausch über die Belange unserer Tochter ist jetzt jedem von uns selbst überlassen. Einen gemeinsamen Austausch gibt es nicht mehr. Zu allem zu schweigen.

Aber das ist nicht egal. Das ist die Zukunft. Nicht nur die unserer Tochter. Die uns irgendwann um die Ohren fliegen wird, wenn wir so weitermachen.

Denn wie sagt meine Chefin: „Die hat die Trennung ihrer Eltern so mitgenommen, dass sie jetzt, mit 25 (!) in psychische Behandlung muss. Dass sie kaputt ist

Muss das sein


Aber meine SMS werden ja sowieso nicht beantwortet. Das wär ja noch schöner…

Mir macht das ja wahrhaft keinen Spaß mehr

Das muss ich mir nicht antun

Aber vielleicht hat er heute auch nur seine „fünf Minuten“. Das geht auch wieder vorbei. Und morgen denkt er dann wieder ganz anders. Bis zu einem gewissen Grad stimmt das sogar…






Arschhaare und Atomkrieg








Eigentlich machst du das ja ganz gut, denkt er, als er die Rolltreppe am Juridicum, der Juristischen Fakultät der Uni Bonn, hochfährt. Sein komischerweise ohnehin schon breites Grinsen wird zu einem Lachen. Ok, keinem netten, freundlichen, fröhlichen Lachen, aber einem Lachen. Laughter in the dark. Er steht hier alleine auf dieser grauen, dreckigen Rolltreppe in dieser grauen, langweiligen Stadt und lacht mit sich selbst. Lacht sich selbst kaputt. Lacht sich selbst aus. Er redet mit sich selbst und lacht mit sich selbst. Wenn sonst keiner mit ihm lacht! Dieser Gedanke bringt ihn noch mehr zum Lachen. Das ist bestimmt das erste Anzeichen von Wahnsinn, wenn man auf einmal ohne ersichtlichen Grund zu lachen anfängt. Aber egal. Wie sagt das Anton Chigurh in No country for old men noch mal? “If the rule you followed brought you to this, of what use was the rule?” Seine Laune ist heute aber echt erstaunlich gut, sein Galgenhumor frisch geschliffen. Keine Ahnung warum. Aber wer fragt schon nach einem Warum, wenn er sich an den restlichen 320 Tagen im Jahr beschissen fühlt?! Wie gerne würde er jetzt Nadine per Telekinese seine Fröhlichkeit mitteilen. So wie in Carry von Stephen King. Die würde sich im Grab umdrehen. In dem Sarg, in dem sie tagsüber mit ihrem Schwager und wer weiß wem sonst noch verschwindet. Wegen Überfüllung geschlossen.

Das Einzige, was ihm zu seinem Glück jetzt noch fehlt…

…denkt er, als er langsam wieder aus dem U-Bahn-Schacht ans gefahren Tageslicht kommt…

…ist ein Arsch. Oder eine Muschi. Aber heute wär es glaub ich echt der Arsch.

Just for the fun of it.

Das mit dem Arsch denkt er nicht ganz grundlos, nicht nur aus irgendeiner kranken Fantasie heraus, sondern weil eben dieser (Arsch) gerade an ihm vorbeimarschiert. Ein junger Arsch mit Pferdeschwanz, so halb blond, halb brünett (aber wen interessiert schon die Haarfarbe – die der Scham- oder Arschhaare vielleicht schon eher). Jung, bestimmt eine Studentin.

Wenn ich mit der fertig wäre, würde die Psychologie studieren. So viel ist sicher. Wenn sie es nicht schon jetzt tut. Heil mich, Baby, von meinen Komplexen, meinen Problemen, meinen Neurosen, meinen Störungen!

Sie trägt eine hautenge Jeans, die aber genau am Arsch noch ein bisschen Luft aufweist. Ein paar Fältchen Luft. Boah, wie ich diese Fältchen liebe. Da passt gerade so noch ein Furz durch. Bestimmt trägt die einen Tanga. Hundertprozentig. Einen roten oder gelben oder was auch immer. Der den Arschbacken ihre Freiheit lässt. Frei rauszuquellen an der Seite.

Boah, wie geil!

Du oder sie?

Hoffentlich ihr beiden!

Heute würde ich sogar  den Atomkrieg überleben.

Vielleicht studiert die ja echt Psychologie. Vielleicht sind ja Psychos wie ich sogar ihr Spezialgebiet. Wer weiß.

Gerade genug Luft, dass man die Arschwangen noch sehen kann, denkst du während dir die Sonne auf den Pelz scheint und du hinter ihr herhechelst.

Und dann ist sie auf einmal weg, viel zu schnell für ihn. Egal, Ärsche gibt’s genug.

Mal sehen, was seine Anwältin heute Nachmittag sagt. Hey, eine Frage hat er noch vergessen in seinem langen Fragenkatalog:

„Wie viele Jahre kriege ich für Mord im Affekt?“

„Und wie viele für Totschlag?“

Dass muss er unbedingt noch fragen…






Dienstag, 17. Mai 2016

Pamplona San Fermines 2016








„Dieses Jahr fahre ich nach Pamplona. Zu den San Fermines. Zum Stierlauf. Und dann besaufe ich mich jeden Tag, sieben Tage lang. Bis ich tot umkippe oder im Krankenhaus lande. Und wenn ich im Krankenhaus gelandet bin, dann entlasse ich mich am nächsten Tag selbst und sauf weiter.“

„Das ist so geil, warum machen die das nicht auch in Deutschland. Dass die Bands abends durch die Straßen ziehen und a cappella tuten und blasen. Das wär viel besser. Das ist natürlich kalt, ok, aber trotzdem. In Pamplona ist es auch nicht so warm, nachts. Da ist zwar Sommer, aber trotzdem ist es da nachts kalt. Das könnten die auch hier. Von dem Musikern her auf jeden Fall.“

„Erinnerst du dich noch an Pamplona. Weißt du noch was von damals?“

„Das war geil, das war richtig geil. Das geht richtig ab. Alle feiern. Die können wenigstens feiern, die Spanier.“

„Hier würde sich wahrscheinlich wieder irgendjemand beschweren, wenn die abends oder – Gott bewahre – nachts durch die Straßen ziehen würden. Das geht ja nicht! Der ganze Lärm!“

„Boah, die sind so geil, diese Lieder…wie heißen die noch mal? Mann, was war das noch mal? Tundas? Näh, peñas! Ja, das ist es, peñas! Geil. Dann saufe ich mich tot! Sieben Tage lang. Vielleicht laufe ich sogar mit. Aber nicht besoffen, das geht ja nicht. Wenn du was von einem Deutschen hörst, der in Pamplona gestorben ist… Näh, geht ja nicht, die ziehen die ja da raus, wenn die besoffen sind, die Touristen. Die holen die da raus…“

„Der Rudi, der hat mich für bekloppt erklärt, als ich ihm das erzählt hab, das ich da mitlaufen will. Der hat gesagt, ich wär bekloppt. Aber egal, warum nicht?!“

„Jeden Tag saufen. ¡Y drogas! ¡Y todo lo que venga!Vielleicht finde ich ja sogar eine neue Frau. Für eine Nacht. Für eine heiße, spanische Nacht.


„Dann fange ich schon im Bus an zu saufen. Oder im Flugzeug. Wo auch immer. Und dann jeden Tag. Immer weiter...“







Gesunde Ernährung








Heute war er einkaufen.

Der Kühlschrank ist voll und seine Tochter kommt in die Küche, wo er sich gerade ein im Ofen gebackenes, halbes Fladenbrot mit Frikadellen belegt. Auf ein halbes Fladenbrot passen locker zwei Frikadellen. Und obendrauf kommt noch eine Scheibe Käse. Natürlich Light-Käse, wir wollen ja nicht übertreiben. Und so ein bisschen Butter muss auch sein, dat soll ja nit drüsch wie sonsjet sein!

Natürlich fällt der Blick seiner Tochter direkt auf sein Brot, war ja klar. Er lacht verlegen, so als müsste er sich für irgendwas entschuldigen, so als hätte er irgendwas falschgemacht. Sie wirft einen Blick auf seine Fladenbrothälfte und sagt „Boah!“.

„Lecker!“

Höre ich da einen leichten Anflug von Ironie in ihrer Stimme? Er möchte etwas sagen, tut es aber nicht. Wie immer. Sagt besser nichts.

„Kannst du mir mal erklären, warum ihr, wenn ihr mit eurer gesunden Ernährung so zufrieden seid, immer auf den anderen rumhacken müsst, wenn sie etwas Leckeres essen. Warum könnt ihr nicht einfach glücklich sein, mit eurem Müsli und eurem Joghurt und euren Gurken und eurem Salat?“

Wenn er das jetzt sagen würde, würde sie ihm bestimmt nicht mit einem lässig-coolen „Is so!“ antworten, wie sie das sonst so gerne tut, wenn sie ihm recht gibt.

Is so! Echt!

Aber er hält besser die Klappe. Wer kann die Wahrheit schon vertragen?!