Dienstag, 17. Mai 2016

Der Gyros- und der Casino-Mann










In Bonn gibt es jemanden, der ist sogar noch berühmter als der Bofrost Mann. Und das ist der Gyros-Mann.

Er arbeitet in einem Imbiss in der Nähe der Stadt. Er verkauft Gyros und Pizza und Bier und es gibt sogar einen Spielautomaten im Imbiss. Die Geschäfte laufen, soweit ich weiß, gut. Er kann sich nicht beschweren, was das Finanzielle angeht (anders als so manche Blogger, die ich kenne!). Das Lokal gibt es schon ewig und der Gyros-Mann ist nicht nur mehr Deutscher als Grieche, er sieht auch so aus.

Doch der Gyros-Mann sieht nicht glücklich aus, wie er so aus dem Bus kommt und die Treppe zur Unterführung in die Innenstadt hinuntergeht. Oder nachts um halb eins im Bus nach Poppelsdorf Platz nimmt. Aber vielleicht ist er das ja gar nicht und das ist nur meine Projektion. Diese verdammte Projektion, die werd ich wohl nie wieder los. Egal, was ich mache. Vielleicht ist er ja trotz dieses Lebens, trotz dieses Landes glücklich.

Vielleicht hat er ja Familie. Vielleicht hat er ja sogar jemand, der auf ihn wartet. Vielleicht hat er ja eine Frau, die treu(doof) ist und die sich‘s nicht vom Schwager (in den Arsch) besorgen lässt, während er weg ist, während er im Imbiss steht.

Oder er ist…

…unglücklich, gerade weil er eine Familie hat. Weil er davon träumt einer anderen dicken oder dünnen Griechin seinen Gyrosteller zu servieren.

Keine Sorge, Kumpel, das hab ich alles auch durchgemacht. Und glaube mir: Es wird nicht besser. Erst, wenn du, wenn ich, wenn wir unser Gyros mit Radieschen essen. Und dann auch nur dann, wenn du katholisch oder islamisch oder buddhistisch oder was weiß ich bist. Griechisch-römisch von hinten, was weiß ich schon. Ich selbst bin ja auch nur ein
Spielhallen-Mann. Das ist auch nicht besser. Glaub mir das. Vielleicht reden die in Tannenbusch ja auch so von mir. Da ist der

Spielhallen-Mann. In gewisser Hinsicht sind wir Brüder. Männer in den schlechtesten Jahren, ohne Ziel, gefangen in der Gastronomie dieser kleinen Großstadt. Bestimmt reden die auch so von mir, in Tannenbusch.

„Guck mal, da ist der Spielhallen-Mann! Der wurde gerade vor eine Jahr von  seiner Frau verlassen will sich das nicht eingestehen, dass sie weg ist, dass sie für immer weg ist. Dabei macht die schon lange mit anderen rum. Ich habe sogar gehört, die soll ein Verhältnis mit ihrem Schwager haben. Mit dem ecuadorianischen und dem deutschen. Mit beiden Schwägern. Ach ne, der deutsche Schwager steht auf jüngere Frauen. Sehr viel jüngere Frauen, wenn du weißt, was ich meine?!“

Sie lachen. Über den Spielhallen-Mann.

„Wallah?!“

„Wallah! Ich schwöre! Bei den Eiern des…“

„Auf deine Mutter…?“

„Ne, auf deine! Und deine Schwester!“

Genau wie der Spielhallen-Mann ist der Gyros-Mann so etwas wie eine kleine Berühmtheit in Bonn. In Ermangelung echter Berühmtheiten…

…nimmt man hier halt den Gyros-Mann.

Beethoven ist ja auch schon ein paar Hundert Jahre tot.

Letztens stieg der in den Nachtbus ein und setzte sich gegenüber von ihm (dem Spielhallen-Mann) auf einen Zweier. Direkt hinter dem Fahrer, während der Spielhallen-Mann immer auf dem Behindertensitz neben der Tür sitzt. Keine Ahnung warum.

Und plötzlich stiegen so zwei halbbesoffene Hühner ein –, die auch er selbst nicht von der Bettkante gestoßen hätte. Und sagen, einfach so, trocken wie der Typisch deutsche Humor (der trotz gegenteiliger Meinungen existiert): „Guck mal, da ist der Gyros-Mann!“

Und die andere: „Der Gyros-Mann!“

So als wären die Fans von dem. Groupies.

Pizza gegen…

…Oralsex, Analsex, Normalsex.

„Ok, aber dann mit Getränken für mich und meine Freundin. Die guckt auch zu, da stehst du doch so drauf.“

Boah, was der Spielhallen-Mann doch für eine kranke Fantasie hat. Das liegt bestimmt an der Philippinin gestern. Die mit dem genau richtig fetten Arsch. Die ist dir nicht gut bekommen, da kommen dir wieder diese ganzen komischen Projektionen auf andere, unschuldige und bestimmt glücklichere Bürger als du. Die hast du noch nicht verdaut, diese Philippinin.

Hättest ein Gyros hinterherschieben sollen. Vom Gyros-Mann.

„Nein, ich bezahle in bar…“





Montag, 16. Mai 2016

Verlustangst








Ich hatte tierisch Angst davor, sie aus irgendeinem Grund zu verlieren. Aus irgendeinem nichtigen Grund. Keine Ahnung warum. Dass sie mir sagen würde, ich will nicht mehr. Was weiß ich, warum. Dass ich irgendetwas falsch machen würde oder sie einfach keinen Bock mehr hätte und ich sie einfach so wieder verlieren würde

Das beschäftigte mich schon, auf dem Weg zu ihr auf dem Fahrrad, mit Oasis auf dem Ohr.

I don’t believe that anybody
feels the way I do about you now

Also benahm ich mich vorbildhaft, versuchte immer krampfhaft extra nett zu ihr zu sein. Nichts falsch zu machen.


Die Angst kam glaub ich aus meinem Glauben, dass ich es nicht wert war, dass ich sie nicht verdient hatte. Dass Gott einen Fehler gemacht hatte.


So war ich froh, wenn ich nach einem weiteren glücklichen Tag mit ihr, bei ihr, in ihr nach Hause zurückkehrte. In mein lieb- und freudloses Zuhause in Bonn-Kessenich. In der Nähe vom Haribo-Werk.

(Achtung: alles natürlich rein fiktiv!)

Damals dachte ich: Endlich hat mir jemand die Liebe gegeben, nach der ich mich so gesehnt habe, all die Jahre. All die sterilen, einsamen, traurigen Jahre meiner Jugend, allein in meinem Zimmer, Videos am Gucken, mir einen runterholend.

Zum ersten Mal gab mir eine Frau ihre Liebe.

Die Liebe, die ihm weder seine Schwester noch seine Mutter hatte geben können. Die Zuneigung, die er von niemandem in seiner Familie – oder außerhalb dieser erhalten hatte (außer vielleicht von Alexander, aber der war ein Typ, das war was anderes)

Es war alles so neu mit Nadine, machte so viel Spaß, war so voller neuer Eindrücke

und brachte ihm die Anerkennung, die er nie gehabt hatte, weder als Kind noch als Jugendlicher

in der Wüste seiner Kindheit und Jugend

jetzt war er wer, hatte eine Freundin, eine echte Freundin (egal, ob sie fünf Jahre älter war)

er war ihr dankbar, liebte sie

weil sie ihn von seiner Last befreit hatte, einer Last unter der er Jahre gelitten hatte, nämlich die, noch Jungfrau zu sein. Jungmann. Da konnte ich mich doch wenigstens dafür erkenntlich zeigen und sie heiraten.

ist das verständlich?



Naiver geht wohl nicht, denkt er heute (und der Blick seiner Scheidungsanwältin sprach auch Bände). Aber zu seiner Schande sind das genau die Gedanken, die er damals hatte.


Wie neugeboren








Er konnte es am Anfang gar nicht fassen, wie schnell sich sein Leben geändert hatte, von dem Tag an, an dem er Nadine in dieser Latino-Disko kennengelernt hatte, an Silvester.

Jemand kümmerte sich um ihn. Er war nicht mehr allen egal. Wie an dem Tag, wo er aus dem Regen kam und eine nasse Hose hatte und Nadine und ihre Schwester Slainté ihn gleich umsorgten als er sie in ihrer Wohnung besuchte. Er solle doch die nasse Hose ausziehen, sie würden sie über die Heizung hängen…Sie gaben ihm sogar eine Decke. Er fühlte sich gut. Nach so vielen Jahren des Streits mit seiner Mutter und diesem eisigen, anklagenden Schweigen seines Vaters hatte er endlich jemanden gefunden, der ihn so mochte wie er war. Er hatte eine Freundin! Endlich! Nach so vielen Jahren voller Sehnsucht, voller Frustration, weil er zu „schüchtern“ war, zu „gehemmt“, zu „still“ (oh, wie er diese Worte doch hasste!). Und seine „Freundin“ hatte sogar noch eine Schwester, die nett war. Gut zu ihm. Und beide mochten ihn…

Er fühlte sich wie ein neuer Mensch

(natürlich nicht vor Slainté!)

Aber selbst wenn das alles stimmt, was hier steht. Wie kann man sich denn 19 Jahre lang in einem Menschen täuschen?

Wie peinlich

Was solln denn die Leute denken?!

Vielleicht wenn man keine Erfahrung in diesen Dingen hat…

…absolut keine Erfahrung mit Frauen, mit Liebe…

…das perfekte Opfer…

Schließlich war sie ja meine erste (und letzte?) Frau. Meine erste große Liebe.

By default?

Mäuse zum Valentinstag









Er erinnert sich noch – oder wieder – an die Stoffmaus, die er ihr schenkte. Zum Valentinstag. Seinen ersten Valentinstag. Sie waren noch nicht mal zwei Monate zusammen und er war ganz stolz auf die beiden Mäuse, die sich umarmten.


Aber sie war nicht so begeistert von seinem Geschenk. Sie sagte zwar nichts, aber das konnte er auch so an ihrer Reaktion sehen.

Irgendwas stimmte mit ihr nicht.

Nein, nicht mit ihr, mit der Maus.

Nicht, nicht mit der Maus, mit ihr.

Eigentlich war es ja auch nicht nur eine Maus, sondern ein Mäusepaar. Zwei Mäuse, die sich ganz eng umarmten. Zwei liebende Mäuse. Die nie eine Chance hatten. Jeder bekam eine. Eine für ihn und eine für Nadine. Oder bekam sie beide? Keine Ahnung, das ist so lang her.

Später sagte sie ihm irgendwann beiläufig, als er sie fragte, wo die Mäuse seien, die er ihr geschenkt hatte, dass sie die in Ecuador vergessen hatte. Eine davon zumindest. Wo die andere war wusste sie nicht.

Bestimmt allein irgendwo, weg

Er fand die süß, die Mäuse. Genau passend, zum Valentinstag. Eine große Geste für kleines Geld.

Vielleicht hatte sie ja mehr erwartet, ein richtiges Geschenk. Aber für ihn war das ein richtiges Geschenk. Auch wenn sie vielleicht nichts damit anfangen konnte