Montag, 16. Mai 2016

Mäuse zum Valentinstag









Er erinnert sich noch – oder wieder – an die Stoffmaus, die er ihr schenkte. Zum Valentinstag. Seinen ersten Valentinstag. Sie waren noch nicht mal zwei Monate zusammen und er war ganz stolz auf die beiden Mäuse, die sich umarmten.


Aber sie war nicht so begeistert von seinem Geschenk. Sie sagte zwar nichts, aber das konnte er auch so an ihrer Reaktion sehen.

Irgendwas stimmte mit ihr nicht.

Nein, nicht mit ihr, mit der Maus.

Nicht, nicht mit der Maus, mit ihr.

Eigentlich war es ja auch nicht nur eine Maus, sondern ein Mäusepaar. Zwei Mäuse, die sich ganz eng umarmten. Zwei liebende Mäuse. Die nie eine Chance hatten. Jeder bekam eine. Eine für ihn und eine für Nadine. Oder bekam sie beide? Keine Ahnung, das ist so lang her.

Später sagte sie ihm irgendwann beiläufig, als er sie fragte, wo die Mäuse seien, die er ihr geschenkt hatte, dass sie die in Ecuador vergessen hatte. Eine davon zumindest. Wo die andere war wusste sie nicht.

Bestimmt allein irgendwo, weg

Er fand die süß, die Mäuse. Genau passend, zum Valentinstag. Eine große Geste für kleines Geld.

Vielleicht hatte sie ja mehr erwartet, ein richtiges Geschenk. Aber für ihn war das ein richtiges Geschenk. Auch wenn sie vielleicht nichts damit anfangen konnte



Sonntag, 15. Mai 2016

When one door opens another one closes...








Ich stand immer in der Tür. Immer, wenn wir Streit hatten.

Und sie wollte immer gehen. Immer, wenn wir Streit hatten.

Und blieb dann doch am Ende.

Aber nur, weil ich in der Tür stand.

Sonst wär sie damals schon für immer weg gewesen. Hundertprozentig. Das weiß ich heute.

Ein paar Mal wollte sie sogar über den Balkon abhauen (ok, wir wohnten damals auch nur im Erdgeschoss – aber trotzdem).

Einmal, wo unsere Ehe schon dem Ende zuging, wollte sogar María vor unserem Streit flüchten. Das war an Karneval. Unser letzter Karneval. Und wer hat sie zurückgehalten?! Ich, wer sonst?!

Jedes Mal stellte ich mich in die Tür und sie schwieg zwar tage- oder am Ende sogar wochenlang, blieb am Ende aber doch.

Ich weiß noch, einmal legte ich sogar meine Matratze in den Türbereich und schlief dort, damit sie nicht gehen konnte.

Sie hätte natürlich auch da locker vom Balkon in ihre Freiheit springen können.

Oder am nächsten Tag einfach wegbleiben können. Bei ihren Schwestern bleiben können. Aber erst als Rafael und Mandy aus Spanien zurückkamen waren, hat sie wirklich ernst gemacht, hat sie es wirklich getan.

Vielleicht auch, weil ihre Schwestern ihr sagten, sie sei unglücklich in ihrer Ehe.

Oder weil sie es war? Unglücklich.

Einmal, nur ein einziges beschissenes Mal stellte ich mich nicht in die Tür, und sie war…

…weg. Für immer weg.

Hätte ich es doch bloß früher getan.

Oder hätte ich es dieses eine Mal noch mal getan.

Wie nennt das Christina Zimmermann? In ihrem Buch Die Liebe und der Psychopath. Angst vorm Verlassenwerden. Ich hatte Angst vorm Verlassenwerden. Und das wusste Nadine ganz genau. Und hat es eiskalt ausgenutzt?

Aber vielleicht bin ich ja auch der Psychopath in unserer Beziehung gewesen. Oder wir beide. Oder keiner von uns beiden.

Angst vorm Verlassenwerden.

Das ist wie damals, ganz am Anfang unserer Beziehung, als die Liebe noch frisch war. wo ihre Noch nicht abgelaufen wie heute. Weggelaufen. Damals, wo ihre Schwester ihr gesagt hat, dass ich nicht gut für sie sei. Dass ich nicht der Richtige für sie bin. Und sie sich daraufhin fast von mir getrennt hätte. Am Telefon, das weiß ich noch. Sie rief mich an und ich saß in meinem Zimmer und versuchte, unsere Beziehung zu retten. Sie sagte, sie würde meine Sachen vor die Tür stellen. Damals konnte ich sie noch geradeso vom Gegenteil überzeugen

Ich weiß noch, wie sie mit ihren Leggings mir in die Arme sprang. Mit ihren dünnen Beinchen. Ihrem warmen Körper. Von diesem Sprung an waren wir wieder zusammen

Bis heute.

Ihre Schwester hatte gut reden! Ihre Schwester…die eine Frau geheiratet hatte, um in Deutschland zu bleiben. Um nicht mehr illegal zu sein. Ihre Schwester…die, wenn sie nicht Frauen heiratete immer nur mit irgendwelchen Spackos zusammen war. Wie diesem Rudi, diesem Pädo. Der sie immer nur kritisierte wie ein kleines Kind, das kein Deutsch kann, das keine Ahnung hat, das sowieso nichts kann. Der sowieso lieber mit kleinen Kindern spielte als mit ihr – laut Aussage meiner Mutter, die ihn einmal dabei gestört hatte, seinen sehr ausgeprägten Spieltrieb auszuleben, während die anderen Erwachsenen draußen grillten. Ihre Schwester, die jetzt wieder mit einem Mann verheiratet ist, der Portugiesisch kann und Portugal mag und aussieht wie ein…

Die hat angeblich gesagt, ich sei nicht gut für ihre Schwester, nicht der Richtige, nicht dies oder das für sie. Weil sie das ja bestimmen konnte als große Schwester. „Du hättest dir lieber gleich einen Rudi suchen sollen!“

Und sie hat ohne zu murren auf sie gehört. Wie jetzt wieder, bei ihrer anderen großen Schwester. Deren Mann bei ihr, bei uns, ein und ausging. Mit seinem Spruch, dass er den Größten hat. Große Männer, kleiner…kleine Männer, großer…

Ihre Schwester?

Oder sie?


Trennungsangst. Verlustangst meiner Kindheit. So nennt das Zimmermann. Die Angst, die Eltern vollends zu verlieren, die mich nie geliebt haben. Klingt logisch. Vielleicht zu logisch. Aber was weiß ich denn schon?! Ich hab ja eh keine Ahnung von Tuten und Blasen.





Wenn Sie ein Tier wären…









Einmal habe ich sie gefragt, welches Tier sie sein würde, wenn sie könnte. Oder müsste. Sie antwortete, dass sie dann ein pajarito sein würde, ein Vögelchen. Ein kleines Vögelchen. Ihr Lieblingstier war ein Vögelchen. Was wohl Freud dazu sagen würde?! Aber dafür brauch man glaub ich gar keinen Freud. Da reicht auch ein Otto-Normal-Psychologe.

Außer vielleicht, wenn man bedenkt, dass pajarito auf Spanisch nicht nur Vögelchen heißt, sondern Aber dann braucht er den Psychologen und nicht sie! Wenn er solche Gedanken hat. Ein harmloses Vögelchen mit einem ordinären Schwanz zu assoziieren. Obwohl es in Lateinamerika das gleiche heißt. Aber Vögel fliegen nicht in dunkle, feuchte Höhlen. Das tun allerhöchstens Fledermäuse. Aber eine Fledermaus wollte sie nicht sein, sondern ein Vögelchen. Die Fledermaus passte dann auch eher zu seinem Gemüt. Ein Dracula

Aber das Tier, was er sich vorstellte, war ein anderes. Eins, dass auch in Südamerika vorkommt. Nämlich ein schwarzer Panther (bitte nicht lachen!). Er sagte an dieser Stelle immer: „Das macht bestimmt Spaß. Den ganzen Tag durch den Dschungel streifen und andere, kleinere Tier reißen.“ Aufreißen. In sie hineinbeißen. Sie verzehren. Auf sie herunterspringen. El salto de la pantera. Der Sprung des Panthers. „Das macht bestimmt Spaß. Das ist bestimmt geil. Alle haben Angst vor dir und du drehst einsam deine Runden durch den Dschungel, immer auf der Suche nach Beute. In die du deine Zähne treiben kannst

mit der du es treiben kannst                                 es wild treiben kannst, in der Wildnis

(wo kommt das denn jetzt her, Herr Psychologe? Herr Psychopath.

Oder würde sie vorher wegfliegen!? Und fressen schwarze Panther überhaupt Vögel? Wenn sie sie erwischen? Kriegen die die überhaupt zu fassen. Oder sind die immer schon weg, wenn die kommen?

Eins ist sicher: Ein Vögelchen und ein schwarzer Panther sollten irgendwie keine Beziehung eingehen, wenn das Vögelchen nicht gefressen werden will oder wenn der Panther nicht sehnsüchtig dem wegfliegenden, schillernd bunten Vögelchen nachsieht, ohne selbst fliegen zu können. Nur springen und das ist nicht das Gleiche.

Eine weitere Frage für einen (Hobby-)Psychologen wäre natürlich, ob nicht in Wirklichkeit sie sich insgeheim wie ein schwarzer Panther fühlte und er wie ein Vögelchen, das einfach nur wegfliegen will. Oder er ein rosaroter Panther und sie ein Kondor?


Aber lassen wir das. Ist besser so.





Sonntag, 8. Mai 2016

Sand am Arsch








Warum soll er noch irgendetwas zurückhalten, denkt er, als er seine Notizen durchsieht, die er über die Jahre geschrieben hat. Dafür ist das Leben zu kurz und bisher hat es dir auch nichts gebracht, zurückhaltend zu sein. Mal sehen, ob das stimmt, was sein Vater damals gesagt hat: Dass das keiner lesen will, dass die Leute fröhliche Geschichten wollen. Dass das keinen interessiert. Selbst im Krankenhaus nach einer doppelten Bypass-Operation konnte er ihn noch runtermachen, seinen mittlerweile mindestens 35-jährigen Sohn. Als wär er noch immer das kleine Kind. Und er sagte nichts, schluckte alles runter, als wär er eben immer noch das kleine Kind.

Aber falls es doch eine Person auf dieser großen, weiten Erde gibt, die sich nicht von der Dauerbeschallung der „deutschen Spaßgesellschaft“ blenden lässt, die auch mal etwas Schwermütiges, Melancholisches erträgt, dann hier der doch selbst ziemlich fröhliche Ausschnitt aus einem unserer früheren, gemeinsamen Urlaube:

Zurück im Hotel sagt María direkt: „Wir gehen zuerst duschen! Ich und Mama! Du danach!“

„Ok. Ok. Wenn’s unbedingt sein muss. Eigentlich wollte ich ja, aber. Aber nicht die Dusche dreckig machen! Ja.“

Sie streifen hastig ihre Klamotten runter und rennen ins Bad. Ich lege mich erst mal aufs Bett und spiele Gameboy. DS. Fühle mich zwar ein bisschen dreckig, aber egal. Und meine Füße erst. Ich sage nur: schwarz.


María quiekt aus dem Bad.

„Aaah…heiß, Mama.“

„Ja, ja, ja. Ja, María“



„Aua.“

„Ja, wenn du nicht stillhältst.“

Die haben ihren Spaß unter der Dusche. Und ich?


Das Wasser plätschert.


„Mama. Mamaa.“


Nach einer Weile kommen sie beide mit diesen hohen Kopftüchern aus dem Bad. Das sieht voll geil aus.

„Und, seid ihr fertig? Kann ich jetzt?“




Nach dem Duschen muss Nadine sogar noch mal auf Klo.

„Bah, das ist ja eklig!“

Sie sitzt ganz nackt auf dem Klo und steht auf. Man kann ihr rasiertes Schamhaar sehen. Ob sie Sand in ihrer Vagina hat. Oder im Arsch. Im Arsch bleibt immer Sand hängen. Nicht direkt im Arschloch, aber in der Ritze.

Wird eine sandige Angelegenheit heute Abend. Vielleicht nehm ich auch einfach den Hintereingang. Aber vielleicht ist der auch sandig. vielleicht sogar noch sandiger. Wer weiß, wie gründlich sie sich gewaschen hat. Vielleicht hat sie ja irgendeine Creme da, mit der es funktioniert. Gestern hat sie schon gesagt: „Versuch doch mal.“ Aber trocken geht da gar nichts. Aber ich hab ja einen kleinen Penis, oft ist er nicht mal so steif.
 


Sie steht vom Klo auf und zieht sich ihre Blümchenshorts wieder an.

Ich hab total Verstopfung. Schon drei Tage. Was mache ich denn? Das ist nicht gut.


Ich glaube, die Option mit der Hintertür ist hiermit gestorben. Scheiße. Im wahrsten Sinne des Wortes. Scheiße. Ich glaube so geht das nicht

Ficken ist Kacke, Pisse und keine Ahnung was. Wie dieser kubanische Schriftsteller sagt, ne


Aber wer weiß. Vielleicht kann ich ihr ja sogar helfen. Rohrreinigung sozusagen



„Ich hab Sand im Arsch“, rufe ich Nadine von unter der Dusche zu. „Ich hab Sand im Arsch.“ Ich denke kurz darüber nach mir einen runterzuholen. Mit Seife als Schmiermittel. Dann ist mein Ding auch besonders sauber für heute Abend. Vielleicht funktioniert es mit den drei Spanierinnen vom Strand. Die sich da draußen mit dem Handtuch umgezogen haben. Ganz sicher funktioniert das. Die waren so geil. Ich kann ihre kleinen Brüste unter dem Handtuch fast sehen, riechen.

Ne, geht nicht. Nicht mit Nadine und María im Nebenzimmer. Nicht so. Früher mit deinen Eltern in Ungarn hat das immer geklappt. „Ich geh dann mal duschen.“ „Ich geh als Letzter.“ Jeden Tag hast du dir einen runtergeholt. Du warst so cool mit 15. Unter der Dusche. Und du warst so geil. Du hast dich richtig aufs Duschen gefreut. Immer am Ende, damit du schön viel Zeit hast. Ich weiß gar nicht mehr, was ich mir damals dabei vorgestellt habe. Deine Mutter hat nie was gemerkt. Die wär nie wieder da duschen gegangen. Oder vielleicht wusste sie es doch, hat es geahnt

Jetzt geht es auf jeden Fall nicht. Egal, ich brauche Saft für heute Abend. Sperma. Ich bin so geil. Das ist bestimmt das Wetter. Stattdessen dusche ich mich nur ganz normal, wobei mein Blick auf  einmal auf meine Füße fällt. Scheiße, die sind knallrot. Die fangen jetzt schon an zu brennen. Kacke. Ich glaub. Ich hab meine Füße beim Eincremen vergessen. Nadine hat sie vergessen. Oh, oh. Nach dem Urlaub ist wohl ein Hautkrebs-Check angesagt. Oder nur wenn sich da was verändert. Kann sich das auch an einer anderen Stelle verändern oder nur da, wo der Sonnenbrand war. Keine Ahnung. Und wenn die das Muttermal nicht findet, weil es an einer versteckten Stelle ist. Zum Beispiel an den Eiern. Ich hab ein großes Muttermal an den Eiern. Aber ich glaube das wächst nicht. Wer weiß. So genau achte ich dadrauf eigentlich nicht. Nicht an der Stelle. Es ist ja nicht so, dass ich den ganzen meiner Eier massiere. Mein Muttermal am Penis wächst täglich, hahaha. Das halbkalte Wasser tut meine geschundenen Füßen zwar noch gut, aber die sind voll krebsrot. Ich glaube, die ham auch schon angefangen leicht zu brennen. Scheiße. Die pellen sich bestimmt schnell. Und das, wo ich immer so darauf achte. Lichtschutzfaktor 50. Scheiße.

„Scheiße. Naddi, ich glaub, ich habe mir ganz schön die Füße verbrannt.“

Keine Antwort. Vielleicht. Hat sie mich nicht gehört.

Trotzdem ist der Sand an allen möglichen Körperstellen richtig geil. Sand in der Dusche. Wenn du nicht mindestens einmal im Jahr Sand in der Dusche hast, hast du nicht gelebt. Echt. Das ist so cool. Da kommt dieses Urlaubsgefühl wieder hoch. Jedes Jahr sind wir mit meinen Eltern in Urlaub gefahren. Immer irgendwo an den Strand. Jedes Jahr. Jedes Jahr hatte ich Sand am Arsch und an dieser Stelle zwischen den Beinen, wo sich immer alles ansammelt. Dreck. Gerüche und eben Sand. Die behaarte Vagina deiner Mutter. Bah
  im Badeanzug