Samstag, 17. Oktober 2015

Stuck in a moment that you can't get out of

 
17.10.15





Aber warum an Karneval denken? Das kann sie doch jetzt auch schon machen. Das macht sie doch jetzt auch schon.

Ok, ich weiß: Ich kann zocken, wichsen, essen so viel ich will. Aber es fehlt immer was. Es fehlt immer diese eigentümliche menschliche Wärme, diese Präsenz eines geliebten Menschen, die María nicht 100% ersetzen kann. Wie sollte sie auch?!

Aber was will man machen. Man kann die Liebe nicht erzwingen.
Ich stelle mir vor, wie sie zu mir auf die Arbeit kommt und was ich dann sagen würde („Was machst du denn hier?“

„Waren wir nicht getrennt?!“ (und sie geht wieder, ohne etwas zu sagen, gesagt zu haben)

„Ich komm ja auch nicht zu dir auf die Arbeit!“ (man muss doch nett sein, wenn man sich wieder trifft, wenn man wieder zusammenkommen will, wenn man das wirklich will“) aber im Grunde meines Herzens weiß ich, dass das nicht passieren wird, dass das nur Wunschdenken ist.

Und das bringt mich nicht weiter.

Nichts bringt mich im Moment weiter. Außer vielleicht mein oder ihr Tod. Am nächsten Tag wäre ich mit María in Spanien. Am nächsten Tag wäre ich weg, ob sie will oder nicht.
Aber das bringt mich auch nicht weiter.

Weil mich nichts weiterbringt.

Und schon wieder läuft Supergirl im Radio.

She’s a Supergirl.

She’s a Supergirl.

She’s a Supergirl.

…and Supergirls don’t cry.

And you know why.

Because their (not so super men are crying
All the time)

Because they’re not quite such 
Supermen

And Supermen always cry

Cause they know they have to die.

Die Trauer dauert eben so lang wie die Trauer nun mal dauert.

Und wenn sie ein ganzes Leben lang dauert, dann dauert sie eben so lang.

Years are not minutes.

***




„Nadi, ich liebe dich“, sage ich zu mir selbst, als ich durch die Kälte zurück zur Spielhalle laufe, nur mit einem Hemd bekleidet.

Es ist kalt und der Himmel ist herbstlich trüb, so als wäre die ganze Welt in einen Nebelschleier gehüllt. Und ich gehe durch diese fast schon dunkle Gasse zur Spielhalle zurück, blicke auf die Mauer aus roten Backsteinen und bin traurig.

Wie war das heute in dem mexikanischen Buch? Pedro Páramo befindet sich in einer Welt zwischen Leben und Tod, an der Schwelle zum Totenreich.

Ich komme mit leeren Händen zurück, der eigentlich verbotene Ausflug von der Spielhalle zum Rewe war umsonst. Die Seife war einfach zu teuer, trotz der 10 Euro Trinkgeld. Die hatten nur die von CD und von Nivea und nicht die billige für 29 Cent. Das Shampoo war mit 1.99 sogar schon weit jenseits von Gut und Böse, sozusagen im Niemandsland zwischen Tod und Leben. Im Lidl bezahle ich niemals  1.99 dafür. Für 2 Packungen vielleicht, aber doch nicht für eine.

In der Passage kurz vor dem Park denke ich, dass ich María einfach liebe und dass es auch im Ausland nicht besser würde, da ich sie vermissen würde wie bekloppt. Außerdem kann ich sie wohl kaum ganz Nadine und ihrer verkorksten Familie überlassen. Also bringt das nichts. Also muss ich hier bleiben, im Niemandsland zwischen…Sie wissen schon.

„Ich liebe dich“, sage ich zu niemandem, in die kalte Abendluft hinein.

Als ich wieder sicher verstaut in der warmen Spielhalle sitze, kommt plötzlich eine kleine Ausländerin rein und sagt irgendetwas, dass ich nicht verstehe.

„Gut?“

„Häh…“

„Gut? Twenty-two.“

„Äh.“

Die sieht gut aus und lächelt und hat lockige Haare und will was sagen, das ich nicht verstehe.

Am Ende gibt sie auf:

„Forget it.“

Ok.

Sieht nicht schlecht aus. Ist aber eine Ausländerin. Die dich bestimmt nur ausnutzen würde wie 

Nadine.

Vielleicht ist es ja sogar gut, dass ich nichts verstanden habe.

Das kannst du sowieso vergessen, das mit der Liebe.

Dann kommt der Trinkgeldgeber wieder, will wieder spielen, obwohl er schon eben genug gewonnen hat. Diese Spieler sind genauso einsam wie du. Aber die ham wenigstens Spaß. Oder auch nicht? Wer weiß. Auf jeden Fall läuft im Radio Supergirl.

…cause she’s a Supergirl…

…and Supergirls don’t cry

…they just let their husbands…

…die.



***

Um elf Uhr, kurz vor meiner Putzphase, überkommt es mich dann doch wieder, dieses Gefühl der Traurigkeit, des Verlustes. Keine Ahnung warum.

…weil ich an Karneval denke. Und daran, was Nadine an Karneval so alles ohne mich anstellen wird. Alleine. Wenn sie alles bumsen wird, während ich – immer noch trauernd – alleine Zuhause sitze.
Muss diese Trennung wirklich sein? Ich liebe sie doch immer noch. Beim Schreiben dieser Zeilen zucke ich fast zusammen, fange fast an zu heulen. Das ist so eine Scheiße. Wir passten so gut zusammen

Haha

wenn wir wirklich gut zusammengepasst hätten, wären wir dies noch.

…nämlich zusammen.

Sind wir aber nicht.

…ist es aber nicht.

Nein: Wir sind für immer getrennt, entzweit.

…und das macht mich bekloppt.