Dienstag, 8. August 2017

Shakespeare und Deutschland









Nerv nicht!“


Ich stand vor ihr, in der Tür ihres Zimmers, guckte sie an, ihr Blick war auf den Bildschirm ihres Handys gerichtet und ich versuchte, ihre Worte hinter einem Lachen verschwinden zu lassen, schaffte es aber nicht

Nerv nicht.


Danach wurde ich still, traurig, irgendwie traurig. Ganz still. Diese zwei Worte hatten mich getroffen. Ich wollte nicht mit ihr reden. Sie wusste genau, mit welchen Worten sie mich treffen konnte. Direkt ins Herz, in meine Seele.

Nerv nicht.

Dabei hatte ich ihr die Frage doch nur gestellt, um ihr zu helfen. Immer wenn man helfen will…
…ist man am Ende der Dumme…

Was hatte ich schon großartig gefragt? Warum ist Teamwork wichtig? Um mögliche Fragen in dem Vorstellungsgespräch zu üben, zu dem sie heute geht. Das hat man davon, wenn man anderen hilft… Den ganzen gestrigen Abend und heutigen Vormittag hatte ich mir darüber Gedanken gemacht, wie ich ihr Leben hier besser gestalten könnte, dass ich mir doch eine Fernsehlizenz zulegen sollte, würde, für DVBT, damit es ihr hier, außerhalb von Bonn, nicht so langeilig wäre. Was hat sie gestern noch mal gesagt: Dann hat man was zu tun… Wenn man einen Fernseher hat. Den ganzen Tag hattest du dir Gedanken darüber gemacht, ob du zu egoistisch gewesen warst.


***


Um kurz nach zwölf fängt es draußen an zu regnen. Egal wie viele Bilder von spanischen Städten am Abend und im vollen Sonnenlicht des Tages du dir auf deinen Hintergrund pflasterst, du kannst die Tatsache nicht ignorieren, dass du dich in Deutschand befindest

            dass du nicht hier sein willst


Du gehst runter zum Briefkasten, siehst durch die Haustür aus Glas die vom Regen schon ganz nasse Straße. Als du wieder hochkommst, denkst du: Vielleicht koche ich was. Bei ihrer Mutter kriegt sie bestimmt was. Jeden Tag. Bei mir nicht. Weil ich nicht regelmäßig esse. Aber am Ende will sie wieder nichts, abends. Weil es schon „zu spät“ ist. Wie immer

Im Fernsehen läuft ein Bericht über Bußgelder auf der Autobahn. Über die Polizei, mogelnde Spediteure und arme Fahrer, die nichts dafür können.

„Die Ehrlichen sind die Dummen“, sagt der Reporter.

Die Ehrlichen sind die Dummen.

Im spanischen Fernsehen laufen Berichte über die Bräuche und das Essen in den verschiedenen Regionen des Landes und im deutschen Berichte über die Polizei und ihre Maßnahmen. Alles muss korrekt sein. Eine Identität wie die Spanier dürfen wir nicht haben. Korrekt müssen wir sein. Eine Seele könnte ja auch dunkle Seiten haben. Eine Identität. Unfälle, Krimis, Polizeiberichte, Feuerwehrmänner. Fische, das Meer, Essen, das Land, Früchte, Lachen. Fahndungen nach einem Bewaffneten. Wie soll man da nicht depressiv werden. Aber das darf man ja auch nicht sein. Das gehört ja zu der Seele, zu den Gefühlen, die wir nicht haben dürfen, seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Mann muss gefangen werden, die Ordnung muss wieder hergestellt werden. Die Sauberkeit. Ob auf der Autobahn oder in einem Mietshaus mit Ratten. Die Ratten müssen beseitigt werden, während die Spanier Makrelen am Strand braten. Die Ordnung ist wieder gestört, das ist fast wie bei Shakespeare, hier in Deutschland. Anwälte werden eingeschaltet, Nachbarn reden übereinander, der Vermieter ist in der Pflicht, man geht „nachhaltig“ gegen die Ratten in Bottrop vor. Regen macht den Sommer kaputt, die Stimmung der Camper ist nicht gut. Keine Sonne und Wärme, kein Sommermärchen. Unwetterwarnungen, Tornados und Krimis. Mörder, überall Mörder. Sind diese Krimis eigentlich unbewusst (immer noch) mit unserem schlechten Gewissen verbunden? Gestörter Urlaub, Regen, kann nicht jemand das Wetter abschalten, die Sonne macht Urlaub…

„Sind sie auf solche Situationen vorbereitet?“

Die Deutschen sind auf alles vorbereitet, sie planen, machen, schaffen, preparieren sich fast zu Tode (aber dieser liegt ja sicher außerhalb der gewohnten Ordnung). Vor allem und jedem geschützt. Alles ist in Ordnung. Das ist doch nur vernünftig. (Oder?!) Keine Spur von Wetterdepression. Auch unter Regenschirmen kann man „Spaß“ haben.

Frankfurt soll sauber sein. Bürger sollen bewusster mit Abfällen umgehen…alles ist friedlich…aufpassen ihre Aufgabe…wir alle brauchen Regeln, damit ein Zusammenleben stattfinden kann…die Parkwächter haben ihren ersten Einsatz…außerhalb des erlaubten Bereiches, der „Grillfläche“

Was passiert eigentlich, wenn sich ein Deutscher außerhalb des erlaubten Bereiches befindet…

Der Grill steht jetzt auf erlaubtem Terrain

Shakespeares natürliche Ordnung ist wieder hergestellt…

…auch Hunde haben Regeln…da muss man halt dahinter sein…alles in den Mülleimer werfen…da tritt ein Kind nachher rein…das arme Kind…

Für alles brauchen wir Aufpasser, damit keiner aus der Art schlägt, aus der Reihe tanzt.

Ist die Creme noch verwendbar? Ist der Schutz noch gegeben. Hautsache, nicht ungeschützt. Mit Nadine habe ich früher immer ohne Gummi geschlafen.

Sonnencreme hilft vor Strahlen. Wir müssen geschützt sein. Oder?! Ist man geschützt?

Und das Beste ist: Es ist erst 12:40! Es kommen noch viele Meldungen, die uns warnen, uns schützen, uns vorbereiten…
…uns vor uns selbst schützen?

Vor unserem Todestrieb? Der in „Deutsch“ in Sprache gebannt wurde.

Wieder ist die Ordnung durchbrochen, in der deutschen Wirklichkeit. Es gibt so viel Dinge, die der natürlichen Ordnung und Vernunft zuwiderlaufen… Auch in der Welt: Trum, Putin, Erdogan…eigentlich ist die einzige vernünftige Politik die der Merkel-Regierung. Wir sind wieder wer…nämlich das Welt-Gewissen. Nirgendwo gibt es so viel Ordnung und gleichzeitig so viel „Spaß“(geordnet natürlich) wie hier…



Mein Wochenhoroskop auf Twitter sagt: Deja a un lado tus preocupaciones y miedos…

Leg deine Sorgen und Ängste ab…