Donnerstag, 17. August 2017

Sevilla, in einem anderen Leben















In einer anderen Welt, in der ich mich nicht mehr befinde, öffne ich abends um acht auf der Arbeit Google Earth Pro und suche nach diesem Hotel in Sevilla. Davor habe ich eine Stunde Antonio Orozco gehört, aber das – anders als gestern mit María im Nebenzimmer – hat nichts gebracht. (Jetzt, wo ich das sage, fällt mir auf: Hey, Antonio Orozco ist ja auch aus Sevilla! Zufälle gibt’s!)



Das war irgendwo in der Altstadt, das Hotel, so viel ist sicher. Da war ein Bahnhof in der Nähe, ein großer Bahnhof…wir sind an einem Bahnhof angekommen, der am Rande der Altstadt war. Von da haben wir, oder besser gesagt ich, dann das Hotel gesucht, das nur wenige Straßen entfernt war. In einem anderen Leben, einer anderen Welt. So viele Bahnhöfe kann es in Sevilla doch nicht geben... Wie hieß der denn noch mal? Keine Ahnung, das ist so lange her...woher soll ich das denn noch wissen?! Auf jeden Fall war da kein Fluss in der Nähe, also diesen können wir schon mal ausschließen. Den am Plaza de Armas, am "Platz der Waffen". Der war auch nicht an einem Fluss, oder zumindest kann ich mich an keinen Fluss erinnern. Aber die anderen beiden – Prado San Sebastián und Santa Justa sind noch nicht mal in der Nähe der Altstadt. Näh, die können das auch nicht sein. Das muss der sein...ich meine mich auch an einen Plaza de Armas zu erinnern. Aber an keinen Fluss – und der liegt laut Google Earth direkt hinter dem Bahnhof. Wie heißt der noch mal, der Fluss der durch Sevilla führt? Der Guadalquivir? Hier steht nichts. Kein Name. Aber sonst passt das: Der Busbahnhof auf der einen und der Eisenbahn-Bahnhof auf der anderen Seite. Ja, das war hier, direkt in der Nähe der Altstadt…


Wie hieß noch mal dieses Hotel? Es sind zwar Hotelsymbole auf der Karte bei Google Earth zu sehen, aber das sind die nicht. Das Oasis Backpackers‘? Ganz sicher nicht. Und auch nicht Residencia Santa Ana, das sich bei näherem Hinsehen als Studentenwohnheim entpuppt. Und auch dieses Französische nicht, das Petit Palace Canalejas. Was für ein Name, was für eine Kombination! Und En la gloria mag ich zwar gerade sein, aber das war auch nicht unser Hotel. So sehr ich auch suche, ich finde es nicht…nicht mehr. Es ist weg. Wie lange ist das jetzt her? 

Und mehr als drei Straßen entfernt war das auch nicht…denke ich, während ich mit der Maus die Karte absuche. Aber das war hier, irgendwo hier in der Nähe der Altstadt, das muss hier gewesen sein. In einer dieser engen Gassen, mit diesen alten Häusern aus der Hochzeit Sevillas in den Jahrhunderten nach der Entdeckung Amerikas. Die so an…erinnern. An diesen dunklen Kontinent, dessen Namen ich vergessen habe. An das Heart of Darkness, das Heart of Real Darkness, El corazón de las tinieblas. Ich klicke mit der Maus auf dieses Gebäude. Das Museum der Feinen Künste… Kann ich mich nicht dran erinnern. Aber hier ist auch die Calle Alfonso XII, das weiß ich noch (war das nicht im Mittelalter der große König, der die spanische Kultur so vorangebracht hat? Oder war das Alfonso XIII? Aber egal wie nah ich rangehe, ich finde die Straße nicht mehr. Auch kein Hotel.





Also probiere ich es anders. Suche auf Google danach. Finde eine Karte mit der Altstadt – diesem Teil der Altstadt, direkt in der Nähe des Bahnhofs –, aber direkt legt sich ein anderes Fenster darüber. Eine andere "Maske", die mich auffordert, meine Reisedaten einzugeben. Tag der Anreise. Tag der Abreise. Von dieser Welt oder was?! Ich will da nicht hinreisen! Ich will nur wissen, wie dieses Hotel hieß. Weil…

Aber am Ende komme ich wieder auf die Karte. Da gibt es so viele Hotels, das ist nicht mehr normal. Und die waren alle nicht auf Google Earth. Vielleicht muss man dafür eine andere…"Maske" darüberlegen. Um die alle sehen zu können. Um "alles" sehen zu können. Hotels für 300 € (ganz sicher nicht!), aber auch für wenig Geld. Und am Ende, nachdem ich auf mehrere Hotels geklickt habe, auf mehrere Preisangaben im unteren Bereich, finde ich es endich. Ja, das war’s. Ganz sicher! Hostal Redes! Ja, so hieß das! Zwei Sterne (passt auch in unsere Preisvorstellung im Urlaub!). Geil, das hatte sogar zwei Sterne! In der Calle Redes (was soviel wie „Netze“ heißt). Ich bin mir fast sicher…

Um ganz sicher zu sein, gucke ich mir noch ein paar Fotos des Hostals an. Von außen kommt es mir nicht mehr so bekannt vor, diese Tür mit dem Rahmen aus viereckigen, roten Steinen. Aber an die Straßenecke kannst du dich erinnern…ja, das war an einer Ecke. Und der Computerraum, mit diesen bunten Wandfliesen, so typisch für Sevilla! Und auch ein Zimmer mit zwei Betten, getrennt…


Ja, das war es







Da gab es dieses Restaurant gleich in der Nähe, dieses berühmte Restaurant, mit den ganzen Stierkampf-Reliquien im Inneren. Das hat uns dieser Typ an der Rezeption empfohlen. Dieser Typ aus dem Land, über das ich nicht sprechen will... Da haben wir sogar Jahre später noch mal gegessen. Aber uns nicht mehr an damals erinnert. 

Oder doch: Wir haben uns daran erinnert, aber es war nicht mehr das Gleiche. Es war etwas anderes und ich hatte die Scheißerei, weil ich wegen meiner anhaltenden Halsschmerzen immer weiter Halsbonbons gegessen habe – 30 Stück innerhalb kürzester Zeit –, ich aber nicht wusste, dass man davon die Scheißerei bekommt, dies aber relativ schnell gemerkt habe: Nämlich genau im Zentrum Sevillas, wo ich dreimal (!!) verschiedene öffentliche Toiletten aufsuchen mussten (unter anderem auch in einem österreichischen Kaffeehaus, wo ich beim ersten Mal jäh durch ein lautes Klopfen an der Tür aufgeschreckt wurde, während es gerade am stärksten brannte und ich eigentlich noch lange nicht fertig war – man wird bei Durchfall nie richtig fertig…).



Beim ersten Mal haben wir da abends gegessen, draußen, eine Fischplatte, in der lauen andalusischen Nacht. Mit diesen kleinen Fischen, die ich so geliebt habe…





Aus dieser Zeit stammt auch dieses Foto mit dem Pferd, das ich letztens durch Zufall auf dem Computer entdeckt habe. Wiederentdeckt habe. Oder war das ein Esel? Aber Eselkutschen? Gibt es so was? Keine Ahnung. Darum geht es aber auch gar nicht. Ich liebe dieses Foto. Wo ich sie mit dem Pferd (wir einigen uns jetzt darauf, dass es ein Pferd war, ein graues Pferd) fotografiert habe und sie so lustig guckt. So als hätte sie ein bisschen Angst vor dem Tier. Aber auch ein bisschen kokett, wie sie lacht und mit den Fingern auf das Pferd zu zeigen scheint. Mit ihrem Garfield T-Shirt, das wir auch in Spanien gekauft haben. In einem Lidl in Sevilla. Und das so gut zu ihr passte. Nadine hat auch immer gelacht, wenn ich ihr das Foto gezeigt habe.

Das ist alles vorbei. All diese Zeit kehrt nie wieder zurück, ist verloren, für immer…

Bis in alle Ewigkeit…

Por los siglos de los siglos. Amén.



Wenn ich das irgendwann einmal löschen kann, einfach so, eiskalt, dann bin ich geheilt…